Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Tokio
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Foto: Wolf-Dietrich Weissbach

Bilderwechsel …

… im Museum am Dom

von Alice Natter

Wer macht mit beim Rätseln, beim Suchspiel? Jetzt zeigt sich, wer in den vergangenen drei Jahren schon im Museum am Dom gewesen war und die Werke der Dauerschau kennt. Denn Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen hat das Hauptgeschoß leergeräumt. Hat Werke abgehängt und samt den Skulpturen ins Untergeschoß geschickt. Und während an den Wänden im Museum einige Wochen die Farbwelt des Bernard Schultze rauschte und flirrte, saß Lenssen über den Grundrißplänen. Was kommt wohin? Was kann wohin? Es galt, neu zu hängen und zu stellen und 50 neue Arbeiten zu präsentieren.

Jetzt ist das Arrangieren abgeschlossen, mit einer neuen Dauerausstellung lockt das Bistum in sein Haus. Was kann man sagen? Geschadet hat es nicht, das große Räumen. Das Museum gibt sich luftiger, leichter. Wo sich früher 300 Werke alter und neuer Kunst dicht an dicht aufeinander drängten, sind jetzt noch 200 Exponate zu sehen. Allein das tut der Ausstellung gut.

Also, losgesucht. Wo beispielsweise ist der Pilger von Antonius Höckelmann, der überlebensgroße, seitwärts geneigte Wanderer aus Industriemüll? Nein, der bunte Riese ist nicht aus der Ausstellung, ins Depot gezogen. Er rastet nun neben dem Kämmerchen mit den russischen Ikonen. Einige andere Werke behielten als »Fixpunkte« ihren Platz im Museum, so Robert Höflings pechschwarzer Streichholzschachtel-Flügelaltar. Der steht am altbekannten Ort, hat jedoch neue Nachbarschaft bekommen. Das großformatige Gemälde »Girl with a knife« von Nina Sten-Knudsen, eine der allerneuesten Leihgaben, gemalt von der dänischen Künstlerin erst im vergangenen Jahr. Eine junge Frau sitzt da im Vordergrund, das Messer in der Hand, mit fragendem Blick. Die Landschaft im Hintergrund dampft und leuchtet im Morgenrot – erst romantisch, je länger man hinschaut aber bedrohlich, Endzeit verkündend. Und dann doch wieder friedlich. Man sollte – so irritiert – den Blick zurück auf den schwarzen Flügelaltar lenken. Was schrieb Höfling zu seinem fragilen Werk einst? »Wenn Ihnen das alles zu schwarz erscheint, es gibt noch Wälder und Auen, es gibt noch Wiesen und dampfende Äcker im Morgenlicht und Vogelgezwitscher – hie und da.« Nein, er glaube nicht an Zufälle, meinte der Domkapitular, schelmisch, bei der Ausstellungseröffnung.

Andernorts gehängt ist nun ein 2002 eigens für das diözesane Museum gemalte Werk: Bernhard Heisigs »Gott sieht zu, Herr Offizier«. Mag sein, daß der ein oder andere Besucher es wie manch anderes Gemälde durch seinen neuen Platz anders – oder gar zum ersten Mal – wahrnehmen wird. Wer das Museum am Dom vor dem Bilderwechsel aufmerksam besuchte, wird freilich eine Veränderung bemerken: An die Wand sind nicht mehr Substantiva gemalt, die doch sehr theologisch waren. Jetzt bilden Verben die ordnenden, bündelnden Schlüsselwörter der Schau. Wahrnehmen, finden, verirren, vertrauen, entdecken, hoffen, mahnen, bezeugen . . Kunstbetrachtung soll nicht passiv sein, sagt Lenssen. Die Tätigkeitswörter zielen darauf ab, daß der Besucher selbst etwas tut, daß im Betrachter der Kunstwerke aktiv etwas geschieht.

Das Konzept des Hauses freilich ist das alte geblieben: Quer zur kunstgeschichtlichen Chronologie alte mit neuer Kunst zu konfrontieren, Gemeinsamkeiten zu suchen und zu vergleichen, dabei menschliche Grundfragen zu stellen. Wer bin ich? Woher komme ich? Woraus lebe ich und worauf zu? Das Miteinander und Gegenüber gelingt, jetzt noch besser als bisher.

Was muß unbedingt erwähnt werden? Das »Porträt von Papst Innozenz X«, eine Lithografie aus dem Jahre 1989 von Francis Bacon. Der Gipsabguß von Michelangelos »Pietà Rondanini«, erwähnenswert allein schon, weil kein anderer als Mussolini diesen einzigen Abguß vom Original abnehmen ließ. Über Jesuiten hat die – vom italienischen Meister unvollendete – trauernde Madonna mit dem toten Christus ihren Weg nach Würzburg gefunden. Und steht nun direkt vor der zeitgenössischen Pietà von Josef Felix Müller – Gips vor Pappelholz, Renaissance vor Moderne. Unbedingt erwähnenswert, weil die bedeutendste Neuerwerbung, ist der Kruzifixus aus der Werkstatt Tilman Riemenschneiders: Ein zwischen den Jahren 1505 und 1510 aus Lindenholz gefertigter Korpus, knapp 60 Zentimeter hoch und zuletzt bei der Riemenschneider-Doppelausstellung im Mainfränkischen Museum zu sehen. Mit Mitteln von über 30 Sponsoren konnte die Stiftung Kunstsammlung der Diözese den Torso des Gekreuzigten aus Privatbesitz erstehen. Er wäre sonst anderweitig verkauft worden und aus Würzburgs Kunstwelt verschwunden.

Was aber ist mit all den Werken, die im Depot verschwunden sind? Auch sie sind zugänglich – nämlich virtuell. Im »Web-Katalog« hat das Museum am Dom in vorbildlicher Manier inzwischen alle seine Schätze aufgelistet, die Internet-Besucher bekommen sie mit kurzer Beschreibung und Abbildung präsentiert. Verdienstvoll! Die Würzburger freilich sollten sich durch diese Aufbereitung den Gang ins Museum nicht sparen. Auf, zum Suchspiel vor Ort! ¶


www.museum-am-dom.de