Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Tokio
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Foto: Wolf-Dietrich Weissbach

Ist das AKW noch zu retten?

Oder: Über die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Kulturdebatte in Würzburg

von Manfred Kunz

Im Februar 2007 kann das Autonome Kulturzentrum Würzburg (AKW) sein 25-jähriges Bestehen feiern. Doch zum Feiern hat die aktuelle Betreiber-Crew wenig Anlaß – denn Mitte Dezember stand der alternative Veranstaltungsort in der Frankfurter Straße kurz vor der Insolvenz.

Offenbar geworden war das finanzielle Desaster vier Wochen nach der turnusmäßigen Vorstandsneuwahl des Trägers »Verein zur Förderung von Bildung und Kultur Würzburg e.V.«. Über einen Zeitraum von zwei Jahren hatte das AKW deutlich über seine Verhältnisse gewirtschaftet, allein in der letzten Hälfte des abgelaufenen Geschäftsjahres 2006 war ein strukturelles Defizit von € 5 000 pro Monat aufgelaufen. Als Ursache geben die vier neu gewählten Vorstände gegenüber der Öffentlichkeit sehr freimütig »hausgemachte Probleme« an. Gemeint ist damit, daß die Finanzverantwortlichen auf fehlende Besucher, die Flaute im Biergarten (und das bei diesem Traumsommer!) und die damit verbundenen Umsatzrückgänge zu spät und mit den falschen Mitteln reagiert hätten. »Die Ausgaben haben sich zu wenig an den Einnahmen orientiert«, erklärte Neu-Vorstand Jörg Finkenberger gegenüber der örtlichen Presse, und meinte damit, daß trotz offensichtlicher finanzieller Schieflage die exorbitant hohen Kosten für Büro, Verwaltung und Buchhaltung nicht reduziert wurden. Stattdessen wurden Investitions-Rücklagen aufgelöst und zur Sicherung der Liquidität im laufenden Betrieb verbraucht; ein weiterer Teil des Defizits wurde auf das Küchen- und Thekenpersonal abgewälzt, das (bei Redaktionsschluß dieses Textes am 15. Januar) in Teilen noch immer auf seine November-Löhne wartet. Als dann eine – laut Finkenberger absehbare – Nachzahlungsforderung der GEMA ins Haus flatterte, stand die absolute Zahlungsunfähigkeit unmittelbar bevor.

Doch das AKW wäre nicht das AKW verstünden es seine Betreiber nicht, jeder existenziellen Krise etwas Positives abzugewinnen. So lobt Mit-Vorstand und DJ Tobi Mosch den verloren geglaubten, doch urplötzlich neu erweckten Kampfgeist der AKW-Mitarbeiter. Mit unbezahlten Soli-Schichten, teilweisem Lohn-Verzicht, einem von Ex-AKWler und Musiker Basti Wegner exzellent organisierten und bestens besuchten Solidaritäts-Konzert (am 20. Dez.) und der legendären Silvester-Party »Kernschmelze« war zumindest kurzfristig die dringend benötigte finanzielle Liquidität gesichert. Nachdem sich sowohl die Sparkasse Mainfranken als AKW-Hausbank Anfang Januar auf eine Umschuldung und einen neuen, langfristigen Kredit eingelassen hat, wie auch das Liegenschaftsamt der Stadt Würzburg als Vermieter sowie die Würzburger Hofbräu als Hauptlieferant Gesprächsbereitschaft über Zahlungs- und Lieferbedingungen signalisiert haben, scheinen von ökonomischer Seite die schwierigsten Klippen für den Augenblick umschifft zu sein.

Ob das AKW als selbstverwaltetes soziokulturelles Zentrum allerdings auch mittel- und langfristig eine Überlebenschance hat, hängt freilich vor allem von seiner inhaltlichen Positionierung und kulturellen (Neu-?)Ausrichtung ab. Längst haben andere Veranstaltungsorte (wie das Cairo oder im kleinen Noise- und Avantgardesegment das Immerhin) oder Veranstalter (wie das Bockshorn beispielsweise mit seinem Engagement für die Würzburger Zaubertage, das Art-Rock-Festival, das Würzburg Jazz Orchester (WJO) oder das Internationale Filmwochenende) sich ihrerseits zu »Kulturzentren« ganz eigener Art entwickelt und ihre Publikumsstruktur verbreitert. Und gäbe es in der AKW-Kneipe nicht immer noch das pädagogisch betreute sonntägliche Kinderprogramm und – in Zusammenarbeit mit der Lebenshilfe – die samstägliche »Free-Zone« als offenen Treff von Behinderten und Nichtbehinderten, sähe es düster aus mit dem soziokulturellen Anspruch: Ein regelmäßiger Disco-Betrieb, ergänzt um drei bis vier Konzerte pro Monat bei ansonsten geschlossenen Türen war jedenfalls vor 25 Jahren bei der Gründung und auch beim Umzug auf das Bürgerbräu-Gelände Anfang der 1990er nicht das Ziel der damals kulturell und politisch engagierten Szene.

Im Rückblick einen Knackpunkt für den inhaltlichen und konzeptionellen Niedergang und den damit einhergehenden Besucherschwund zu benennen, ist unmöglich. Immer wieder wird als entscheidender Grund die schlechte topographische Lage am Rande der Stadt und der damit einhergehende Verlust der Treffpunktfunktion genannt – eine Situation, auf die bis heute keines der in den letzten Jahren immer schneller wechselnden Betreiber-Teams eine überzeugende Antwort gefunden hat.

Einher geht damit ein Ausdifferenzieren bis hin zum teilweisen Verschwinden dessen, was unter dem vagen Begriff »Szene« einst die Zielgruppe des AKW war. Statt mit intelligent kombinierten Programmangeboten jeweils wechselnde Milieus anzusprechen – und durch die so mögliche Publikumsmischung auch das soziale und kulturelle Gedächtnis zu bewahren – warfen die Betreiber Ende der 1990er alle egalitären und basisdemokratischen Grundsätze über Bord, nur um sich stattdessen in ein für Außenstehende undurchschaubares Geflecht von Hierarchien, Kompetenzen und Entscheidungsbefugnissen zu verstricken.

Verstärkt wurden die strukturellen Konflikte durch politische und ideologische Auseinandersetzungen, die nicht als Prozeß für alle Beteiligten transparent gemacht wurden, sondern in destruktiven gegenseitigen Schuldzuweisungen gipfelten und zur zeitweisen Selbst-Lähmung führten. Objektiv sichtbarer Ausdruck war der von rivalisierenden politischen Gruppen – zum Teil innerhalb, aber auch außerhalb des AKW – ausgetragene Kampf um die redaktionelle Mehrheit und demzufolge inhaltliche Ausrichtung des hauseigenen Printmediums »AKW-Info«, der in der Kündigung der Redaktion im Dezember 2002 und letztlich in der (mit finanziellen Zwängen begründeten) Einstellung Mitte des Jahres 2003 kulminierte.

Zugleich verschwand damit auch das letzte Forum öffentlicher Selbstverständigung über Sinn, Zweck und Notwendigkeit eines Zentrums. »Wer braucht noch das AKW?« fragt folgerichtig ein Flyer von »FreundInnen & ehemaligen MitarbeiterInnen des akw!« auf dem Höhepunkt der gegenwärtigen Krise am 11. Dezember 2006 und stellt im Text Fragen, über die sich alle aktuell im AKW Arbeitenden dringend klar (und einig – so oder so) werden müssen, soll das Projekt »Soziokulturelles Zentrum« in Würzburg eine Zukunft haben.

Tröstlich mag dabei sein, daß auch auf Bundesebene sowohl die »Bundesvereinigung Soziokultureller Zentren« als auch die »Kulturpolitische Gesellschaft« längst über eine Neu- und Re-Definition des in die Jahre gekommen Begriffes »Soziokultur« diskutieren. Würzburg hat diese Debatte bisher – nicht zuletzt mangels personeller Kontinuität im AKW – komplett verschlafen. Auch ein darüber hinausgehender kultur-politischer »Diskurs«, der diese Floskel auch mit Inhalt, Debatten, Veranstaltungen und kontroversen Auseinandersetzungen füllt, findet in dieser Stadt seit mindestens zehn Jahren nicht mehr statt. Und auf die Frage, wer dafür die Verantwortung trägt, wird der Schwarze Peter gerne hin- und hergeschoben: »Die Stadt kümmert sich zu wenig um unsere Belange, bindet uns zu wenig in ihre Entscheidungen ein und läßt das für die Mitwirkung vorgesehene Gremium – den Kulturbeirat – ins Leere laufen«, beklagt etwa der »Dachverband Freier Würzburger Kulturträger« (DFWK) die Situation.

Der in den letzten Jahren amtierende »Referent für Kultur, Schule und Sport« sah sein hauptsächliches Betätigungs- und Kompetenzfeld wohl nicht nur notgedrungen im Gebiet der effizienten Schulverwaltung. Ob der seit 1. September neu im Amt befindliche Referent Muchtar Al Ghusain eine Besserung hin zu mehr Auseinandersetzung und öffentlicher Debatte bewirken kann, ist im Augenblick noch nicht absehbar. Seine inhaltlichen und programmatischen Anregungen, die er bei der ersten Sitzung des Kulturbeirats in seiner Amtszeit vortrug, haben zumindest Erwartungen geweckt, die sich kulturpolitisch engagierte Menschen in dieser Stadt nur noch im stillen Kämmerlein oder in kleiner, privater Runde zu hegen trauten. ¶


Und um auch das deutlich zu machen: Der Autor dieser Zeilen ist Partei! Er hat vom 1. Januar 1985 bis zum 31. Januar 1990 und dem unmittelbar folgenden Abriß des Gebäudes die sechs intensivsten Jahre seines Lebens im AKW verbracht.

Die nächsten Veranstaltungen im AKW
Mo., 29. 1.: Dendemann – HipHop aus Deutschland
So., 4. 2.: Emergenza: Bandwettbewerb – Würzburger Vorrunde
So., 18. 2.: Fiddlers Green

Weitere Informationen unter www.akw-info.de