Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Kathmandu
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Ein offener Brief an den Intendanten des Mainfranken Theaters

Verehrter Herr Prof. Hermann Schneider,

eigentlich hatte ich Sie massiv kritisieren, ihre provokanten Thesen, die Sie im Kulturteil der hiesigen Tageszeitung (Main-Post vom 6. März 2007) zum wiederholten Mal äußern konnten, ordentlich widerlegen und Sie an ihre kultur- und theaterpolitische Verantwortung erinnern wollen. Entwerfen Sie doch im Gespräch mit dem Redaktionsmitglied Ralph Heringlehner ein apokalyptisches Bild von der Zukunft des Theaters im allgemeinen, und damit natürlich auch des Würzburger Mainfranken Theaters im besonderen, das im krassen Widerspruch zu dem steht, was Auftrag und Ziel Ihrer Tätigkeit als Intendant eines Hauses mittlerer Größe und Relevanz sein müßte. Daß ausgerechnet Ihnen als selbstbewußtem Darstellungs- und erfahrenen Medienprofi die Folgen solcher Zukunftsaussagen nicht bewußt gewesen sein könnten, mag man kaum glauben.

Denn nicht lange auf sich warten ließen die entsprechenden Reaktionen in den Leserbriefspalten der Tagespresse. Man ist als langjähriger Beobachter der Szene versucht zu sagen: Natürlich entspann sich kein Diskurs über den von Ihnen angesprochenen Grundkonflikt zwischen sinkender gesellschaftlicher Akzeptant des Theaters bzw. öffentlich subventionierter Kultur im ganzen und den exorbitant wachsenden privaten Vermögen, sondern einmal mehr wurde in den gedruckten Lesermeinungen auf niedrigem inhaltlichen und intellektuellen Niveau das »Regietheater« pauschal für die sinkende Bedeutung des Theaters verantwortlich gemacht. Da werden von selbsternannten Bewahrern traditioneller Bühnenkunst Sprech- und Musiktheater in einen Topf geworfen, ästhetisch gewagte Regieansätze in unseligster intellektuellenfeindlicher Manier verdammt und einer neuspießigen Unterhaltungsseligkeit und quotengeilen Vergnügungssüchtigkeit das Wort geredet.

Aber gegen solcherlei Anwürfe werden Sie Redaktion und Mitarbeiter der nummer selbstverständlich immer verteidigen. Warum Sie selbst und das Mainfranken Theater aber nicht ihrerseits in die Offensive gehen, ihre ganz unterschiedlichen, nicht immer sofort und allen plausiblen ästhetischen Konzepte in der Öffentlichkeit vehementer verteidigen, bleibt ein Rätsel. Noch nie fand und findet in dieser Stadt eine Auseinandersetzung über künstlerische Fragestellungen des Theaters statt, nie wurde das, was in der überregional geführten Auseinandersetzung um den Begriff »Regietheater« diskutiert wird, auf örtlicher Ebene thematisiert. Öffentliche Auseinandersetzungen um das Theater waren und sind in Würzburg seit mindestens 20 Jahren Konflikte um die finanziellen Kosten eines Drei-Sparten-Hauses. Dabei wäre, angesichts der gesellschaftlichen Verwerfungen und der weit verbreiteten Zukunftsängste, die Zeit für Debatten über Sinn und Zukunft der Kunstform Theater und seine Relevanz nie günstiger als jetzt!

In der Hoffnung, daß Sie diese Chance, möglicherweise beim Kulturtalk »Quo vadis cultura«, doch noch ergreifen, grüßt Sie herzlich

Manfred Kunz