Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Kathmandu
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Rune Mields begutachtet »1st. Absolute rip-off« von Kollege George Korsmit.
Foto: Achim Schollenberger

Dora Maurer vor »Hemisphärischer Drilling Nr. 366«.
Foto: Achim Schollenberger

Quod erat demonstrandum

Zur Ausstellung »Ausgerechnet … Mathematik und Konkrete Kunst«
im Würzburger Kulturspeicher

von Angelika Summa

Wem früher die Mathematikstunden in der Schule den Angstschweiß auf die Stirn trieben, der wird wohl schwerlich davon zu überzeugen sein, sich unbedingt die Ausstellung »Ausgerechnet … Mathematik und Konkrete Kunst« im Würzburger Kulturspeicher anschauen zu müssen Vielleicht lag es ja am Lehrer, weniger an der Materie. Daß die angeblich so trockene Mathematik nicht nur für Eingeweihte und aus der Schul-Distanz heraus ihren Reiz hat und durchaus massentauglich ist, bemerkt man an der von Japan herübergeschwappten Sudoku-Knobler-Welle. Wie anschaulich, ja »schön« Mathematik sein kann, wenn man ihre Ideen künstlerisch denkt, wie fantasieanregend sie ist, wenn man Farben und Formen, Perspektiven und Proportionen in einem »richtigen Maß« sieht oder wie interessant allein logische Zahlenkombinationen sein können, wird man in der Würzburger Ausstellung an vielen Beispielen festmachen können. Und letztlich wird, so ist zu erwarten, sich bei manchem Kritiker der Konkreten Kunst der Spruch bewahrheiten, daß man das als schön empfindet, was man – endlich – verstanden hat. Anschauungsunterricht pur für Geometrie, Primzahlenlogik und Zufallsberechnungen (ganz speziell die »Monte-Carlo-Methode«) wird dank der vom Mathematischen Institut der Universität Würzburg erarbeiteten großen Tafeln mitgeliefert. Die übersichtliche Präsentation von mathematischen Problemen werden mit gezeigten Werken in Beziehung gesetzt und anhand von Computeranimationen nochmals lebhaft erläutert. Denn natürlich geht es um Kunst, ihre Grundlagen und ihre Geschichte.

Deshalb beginnt der Gang durch das Museum mit den »Vorläufern der Konkreten Kunst«, die sich vom bisherigen Naturabbild abwandten und sich auf die Gesetzmäßigkeiten des Bildes und seiner Ordnungsprinzipien konzentrierten. Sonia Delaunay mit ihrer »Composition« auf Bütten von 1954 gehört dazu und Piet Mondrians »Tableau Nr. VII« von 1925 in den Primärfarben, Blau, Gelb, Schwarz und Rot und Kasimir Malewitschs »Suprematistische Zeichnung«, von 1915/16, zwei Jahre nach seinem weltberühmten »Schwarzen Quadrat« entstanden.

In den folgenden acht Abteilungen des Rundgangs werden die den Kunstwerken zugrundeliegenden mathematischen Prinzipien vorgestellt.

Sehenswert sind Dora Maurers Farbgliederungen, die perspektivischen Gesetzen gehorchen. Ihr strahlender »Hemisphärischer Drilling Nr. 366« von 2001 nimmt die Wand im Durchmesser von vier Metern ein. Hätte man die »Hilfslinien« der Wandzeichnungen nicht, wäre die Ordnung nicht so zwingend offensichtlich.

Systematisch aufgebaut sind auch »Parkettierungen« in den Arbeiten von Eva Bauer etwa, die ihren Acrylbildern regelmäßige Vierecke zugrundelegt: Die riesigen Zahlen in »Pixel Two« und »Pixel Eight«, beide von 2002, erschließen sich erst aus einiger Entfernung. Was für ein künstlerisches Ergebnis sogar die fleißige Anordnung von Primzahlen – noch dazu im Gegenuhrzeigersinn – bringen kann, zeigt das »Primzahlenbild 1-9216« (1996) von Suzanne Daetwyler. Die Schweizerin macht aus einer Fleißaufgabe insofern ein reizvolles Bild, weil sie die Türkisfarben von der Mitte ausgehend aufhellt. Ein ähnlicher Kunstgriff ist ihr bei ihrem »Magischen Quadrat« von 1998 trotz des verheißungsvollen Titels nicht gelungen.

Die beiden Bereiche Mathematik und Kunst schließen dann einen fruchtbaren Pakt, wenn das ästhetische Ansinnen des Künstlers die Oberhand behält und beispielsweise auch dem künstlerischen Prinzip des Zufalls Raum läßt, wie das der Franzose Francois Morellet mit »Répartition aléatoire de 40.000 carrés suivant les chiffres pair et impair d‘un annuaire de téléphone, 50% gris, 50% jaune« aus dem Jahre 1962 getan hat, wenn also die Kunst über die reine Konstruktionsanleitung hinausgeht. So aufregend es für die Künstlerin Rune Mields persönlich beispielsweise sein mag, das zugegeben interessante Phänomen von »Fibonacci-Zahlen« bildhaft zu demonstrieren und mit der Natur in Verbindung zu bringen, so sehr vermißt man als Betrachter letztlich das ästhetische Erlebnis in ihren Bildern wie »Evolution: Progression und Symmetrie« von 1987. Dem gegenüber verliert man sich fast in der überschwenglichen, »geistvoll«-schwebenden Dodekaederansammlung aus gelötetem Stahldraht und Leinen von Gerard Caris.

Die Mainzerin Lore Bert, von Tochter und Galeristin Dorothea van der Koelen vertreten, ist sonst eher mit stillen Objekten wie Papierknitterungen und zarten Bleistiftmandalas aufgefallen. Sie widmet sich einer arabischen Zahlenreihe in Leuchtschrift, die auf dem wuchtigem Holzsockel ihre Transparenz einbüßt und vielzuviel Platz beansprucht – der anderen Skulpturen gegenüber fehlt, wie z. B. der eleganten »Drehung« aus schwarz lackiertem Stahl von Walter Leblanc von 1965.

Neben anderen Galerien aus Paris, Stuttgart, Zürich sind weitere Leihgeber u. a. das Paul Klee Zentrum Bern, die Stiftung Moritzburg in Halle oder das Museum für Konkrete Kunst in Ingolstadt und selbstverständlich das Würzburger Museum mit herausragenden Exponaten der Sammlung Peter C. Ruppert vertreten, die vibrierende Dreibandscheibe von Martin Willing ist eines der Publikumslieblinge. Daß zur internationaler Präsenz diesmal auch regional tätige Künstler wie Joachim Koch und Burkhard Schürmann hinzugenommen wurden, sei hier ausdrücklich lobend erwähnt. ¶


Die interessante Ausstellung ist noch bis 29. April 2007 zu sehen.
Montags geschlossen, Ostermontag geöffnet.
www.kulturspeicher.de