Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Kathmandu
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Englische Raucher. Die Vorboten der industriellen Revolution?
Künstler unbekannt.
Immenlitz: Rauchender Malerfürst
(aus der Serie der schrägen Bilder)

Der Raucher
im Spiegel der Kunst

Betrachtungen über eine aussterbende Spezies

von Petra Steuwe-Sand (Text) und Konsul Dr.h.c. Fritz Roth-Händle (Bildarchiv)

Den Rauchern geht es nicht gut. So oder so. Entweder, sie segnen das Zeitliche, was zugegebenermaßen alle anderen irgendwann auch tun, oder sie verschwinden von der Bildfläche des öffentlichen Lebens und sind fortan nur noch im Museum zu bestaunen. Wieder wird die Liste der bedrohten Arten um eine Spezies reicher.

Das aktuelle Anti-Rauchergesetz wird dafür sorgen, gleichzeitig aber auch für frische, saubere Lungen und einen unvernebelten Blick auf das kerngesunde Rentenzeitalter mit der gesicherten Rente. Dafür könnte im Gegenlungenzug so manchen Caféhaus-Literaten die dicke Luft wegbleiben. Das schwarze Loch der Leere droht. Vorbei ist es mit dem schönen Sinnieren durch die Rauchwolke hindurch auf die leicht getrübte Realität, vorbei die schöpferischen Rauchpausen, die doch der Kunst des Dichtens und des Schreibens so förderlich waren. Klare Sicht in einstmals heimeligen von Kaffeeduft und Tabaknebel getränkten Etablissements. Harte, schnöde Wirklichkeit. Wie oft hatte sich doch, nachdem sich so manche Inspiration erst einmal in Rauch aufgelöst und entschwunden war, der Griff zur Pfeife, Zigarette oder Prise als letzter Rettungsanker erwiesen, um die grauen Zellen mit neuer Nahrung zu versorgen. Schließlich galt das Rauchtrinken schon seit ein paar hundert Jahren als Labsal für Gehirn (hier ist nicht Hirn gemeint) und Körper. Wohl sind bald die Dichter deshalb Schall und Rauch. Längst schon sind die Cafétische nicht mehr vollgekritzelt mit blumigen Worten oder so mancher kleinen Skizze, flüchtig hingeworfen in einer Zigarettenpause. Vorbei ist’s, die Flamme glimmt nur noch auf Spar, der Raucher, bald nur noch ein Museumsstück?

Bilder von rauchenden Menschen gab es schon, seit der Tabak und die Tobagos entdeckt wurden. Bereits ein Holzschnitt aus dem ältesten Bericht über die Entdeckungsreisen des Columbus aus dem Jahre 1494 zeigt rauchende Indianer, wie sie zwei Jahre zuvor von Xerxes und Torres, den beiden Weggefährten des großen Genuesers, entdeckt wurden: genüßlich mit ihren kleinen Musketen, den Tobagos, qualmend. (Durch die Verwechslung der Bezeichnung der kleinen Muskete und des Krautes, die munter darin glomm, entstand der Name Tabaco – Tabak). Auch diese Indianer gibt es schon lange nicht mehr, was allerdings nicht so sehr am Rauchen des mundigen Tabaco gelegen haben dürfte, als an den mitunter extrem forschen Kolonisationsbemühungen der Entdecker.

Aztekische Bilderschriften zeigen Raucher. Der große Geist, der Herr des Lebens(!) oder Manitou erfand die Friedenspfeife (zu sehen auf einem Nürnberger Einblattdruck aus dem Jahre 1652) und hat der Überlieferung nach höchstselbst seinen Anhängern das erste Pfeifchen vorgeraucht. Einer der ersten Raucher des Abendlandes soll ein gewisser Harriot gewesen sein, auf Roanoke Island. Dichterisch begabt schreibt er nach seiner Rückkehr von den Indianern: … die Leute brennen es in Pfeifen, deren Rauch sie schlucken … den Genuß zu schildern, den man dabei empfindet, würde ein ganzes Buch füllen …« Ob er es Ende des 16. Jahrhunderts geschrieben hat, ist nicht ersichtlich, Cafés um sich darin der Literatur zu widmen, gab es jedenfalls zu dieser Zeit noch keine.

Am 27, Juli des Jahres 1586 boten zumindest die Matrosen von Kapitän Ralph Lane nach ihrer Rückkehr von Virginia dem gaffenden Publikum am Pier von Plymouth die erste öffentliche Performance des Pfeifenrauchens. Dreizehn Jahre später erbot sich ein Fachmann den ersten »Workshop« darüber zu halten, indem er durch einen Anschlag an der St. Pauls Kathedrale in London den edlen Herren anbot, sie in die Kunst des Rauchens einzuführen. Wie das ausgesehen haben könnte, zeigt ein alter Stich. Vier qualmende Raucher genießen im Hinterstübchen in entrückter Eintracht und wirken wie Vorboten der industriellen Revolution. Die Pfeife konnte damals für 3 Pennies vom Ladenbesitzer geliehen werden. Ob das markante Holzbein des Kandidaten ganz links von der neuen Leidenschaft herrührte ist leider nicht überliefert. Die Gefahren des Lasters kannte man noch nicht, bezeichnenderweise brachten gerade die englischen Medizinstudenten die Sitte dann nach Holland, Soldaten trugen sie während des Dreißigjährigen Krieges mit nach Deutschland. Noch war das »Rauchen« unbekannt, man sprach gesittet von Tabak-»trinken« oder »-schlürfen«.

Ob Jean Nicot (1530–1600) als Namensgeber das nach ihm benannte Nikotin geraucht hat, scheint ob seines erreichten hohen Alters fraglich. Vermutlich schnupfte er, denn als er die neue Wunderpflanze für seine Heilkünste entdeckte, war es gebräuchlich, Hautkrankheiten durch Auflegen der Blätter zu kurieren oder sie als feingemahlenes Pulver in die Nase zu ziehen, was befreiendes Niesen auslösen konnte. Immerhin gibt es auch von ihm ein stattliches Portät, ernst blickend mit schöner Halskrause, allerdings ohne rauchendes Attribut. Wir können hier an dieser Stelle nicht explizit die weitverbreitete Geflogenheit des Schnupfens näher untersuchen, obwohl hier Künstler wie Louis Leopold Boilly (1761–1845) die neue Leidenschaft der Damen höchst trefflich lithografierte, wie auch Honoré Daumier (1808–79) zeichnerisch »a votre santé« und Walter Hasenclever (1810–53) in einem Gemälde »die Prise« unsterblich gemacht hat.

Leider können auch keine Streiflichter auf die Kultur Afrikas und des Orients geworfen werden, der geneigte Leser mag sich selbst auf Spurensuche begeben und den Bildnissen und vor allem den Skulpturen von Rauchern nachspüren. Eugene Delacroix (1798–1863) hat jedenfalls die algerischen Frauen beim Schwätzchen mit der Wasserpfeife belauscht und gemalt.

Längst schon war der Handel mit Tabak ein lukratives Geschäft geworden und hatte so manchen Pflanzer und Händler zum Millionär gemacht. Selbst General George Washington, der Freiheitskämpfer der Vereinigten Staaten, kannte den Wert desselben. Legendär geworden ist sein Aufruf während des Unabhängigkeitskrieges im Jahre 1776: »If you can’t send money, send tobacco!«(Wer kein Geld senden kann, der schicke Tabak). Für ein Gemälde dieser Szene hätte man die Sprechblase erfinden müssen.

Daumier, der vielen Zeitgenossen aufs Maul schaute, porträtierte genüßlich »Le pur Havane«, die wahre Zigarre samt Connaisseur. Theodor Hosemanns (1807–73) Lithografie zeigt zwei fesche Burschen beim ersten Versuch, das dicke Ungetüm zu genießen.

Aber halt, was ist mit den Frauen? Haben die nur geschnupft? Mitnichten! Die erste Frau, die Hosen trug und öffentlich (!) rauchte, soll eine gewisse Baronin von Dudevant gewesen sein. Besser bekannt war sie als Schriftstellerin, (was nicht verwundert, wurde die Verbindung von Rauch und Dichtkunst schon erläutert), unter dem Namen George Sand. Auch die Mutter von Cosima Wagner, Gräfin d’Agoult, frönte wohl dem Laster, war sie doch der Meinung, daß zum Schreiben (unter dem Pseudonym Daniel Stern) neben der Tinte auch der Tabak gehörte. Ihre Lieblingssorte waren angeblich schwarze Schiffszigarren.

Zur Zeiten der Französischen Revolution gehörten die Cafés zu den Orten, an denen die neuen Ideen der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit rauschend und rauchend proklamiert wurden, Bildnisse hiervon gibt es deren einige. Und so mancher versüßte vielleicht sein letztes Stündlein vor dem Gang aufs Schafott mit Tabak. Im unruhigen März des Jahres 1848 randalierten die Bürger vor dem Palais des preußischen Ministerpräsidenten Rudolf von Auerswald. Ein zeitgenössischer Holzschnitt zeigt die aufgebrachte Menge. Der Protest richtete sich gegen die Verordnung, daß das Rauchen auf allen Straßen und Plätzen in Berlin gesetzlich strengstens verboten war. Erst nachdem Felix Fürst Lichnowsky die Nachricht überbrachte, es sei zukünftig gestattet- auch im Tiergarten – zerstreute sich die Menge.

Nun ist das gerade eine prima Überleitung, um zum Ende zu kommen, denn nun schließt sich der Kreis. Auch in unseren Tagen ist das Rauchen vielerorts wieder verboten, doch mit einem Massenprotest wie damals ist heute nicht zu rechnen. Man durfte vor 159 Jahren zwar im Zoo wieder rauchen, aber vielleicht sind dort bald die letzten Vertreter einer aussterbenden Art zu finden. Und wenn nicht, bleiben auf jeden Fall die Bilder von Rauchern, das heißt: natürlich auch von Malern, die rauchten. Sie haben ihren Einzug in die Kunst gefunden und sind auch in der heutigen Zeit als Bildmotiv immer noch anzutreffen. Man mag sich hier nur Picassos »Mann mit Pfeife« vor Augen halten.

Zu guter letzt noch eine brandaktuelle Geschichte aus einer anderen Kultursparte: Mit 103 Jahren hat auch Johannes Heesters dem Rauchen abgeschworen. Nach 90 Jahren Zigarettenkonsum mit fünf bis sechs Glimmstengeln täglich kam nun, bedingt durch eine Erkältung, der Sinneswandel. Er sei schließlich Sänger, so seine Begründung, da müsse er an die Stimme denken. Respekt, der Herr.
Es ist nie zu spät. Egal für was. ¶