Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Oberwaldbehrungen
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Short Cuts & Kulturnotizen

Unlängst – Gerade soeben – Demnächst!
Was nicht dem Vergessen anheim fallen sollte – eine ganz subjektive Auswahl der Redaktion, nicht minder subjektiv kommentiert.


5. Februar, 21 Uhr – Jugendkulturhaus Cairo

Als Sänger von Kante ist Felix Müller eine bekannte Größe jenes Sektors des Pop-Kosmos, der einst – ja einst, so lange sind die 1990er schon her – als »Hamburger Schule« die Hoheit in der deutschsprachigen Indie-Szene beanspruchte. Aber nicht erst seit der vor kurzem bekanntgegebenen Selbstauflösung von blumfeld (ihre Abschiedstour führt sie am 27. April auch ins Würzburger AKW), dem musikalischen und intellektuellen Aushängeschild dieser Schule, ist es still geworden um die Diskurs-Pop-Helden des letzten Jahrzehnts. Nach dem zufällig (?) nahezu zeitgleichen Ende des Zentralorgans dieser Szene, der SPEX, wurde dieses Schweigen auch durch die Nachruf-Wallung in allen Feuilletons von (mindestens!) SZ über taz kaum gestört, sieht man mal von Bertrand W. Klimmeks auch musiktheoretisch profunden, zweiseitigen Rückblick auf die 15jährige Geschichte der Band in der Jungle World No. 9/2007 (vom 28. Februar) ab.
Musikalisch völlig unbeeindruckt von solchen Auflösungserscheinungen zeigt sich eben jener Felix Müller (Gitarre, Gesang, Keyboards) mit seinem anderen Bandprojekt, der ebenfalls aus Hamburg kommenden Gruppe sport. Im Gegenteil, in ihrem aktuellen zweiten Album »Aufstieg und Fall der Gruppe Sport« thematisiert das Trio einerseits in seinen Texten immer wieder jenen sisyphusartigen Kampf mit und gegen die Verwertungsbedingungen von »Indie«-Musik – etwa in »wie ameisen«, »schönen gruß die satelliten«, »der weg hinab« und »ein ende«. Anderseits entfachten sie beim Auftritt im Cairo in der klassischen Rockbesetzung mit Martin Boeters am Schlagzeug und Christian Smukal am Baß eine energiegeladene Hybrid-Version aus Rock, Indie und spielerisch avancierter Grenzgängerei. Und das mit der – überraschenderweise – angemessenen Härte für die härter gewordenen Zeiten und dennoch jenem Hauch lässiger Coolness und intelligenter Selbstironie, die genau die Differenz zum abgedroschenen Gestus des Headbanger-Helden markiert. Gäbe es in dieser Stadt, in diesem Land so etwas ähnliches wie politischen Widerstand gegen die nicht nur ökonomischen Zumutungen des Alltags, ein möglicher Soundtrack für eine solche Bewegung stünde bereit. Er käme von der Gruppe SPORT. (maz)

Als Tonträger erhältlich: »These Rooms are made for waiting« (2001), »Aufstieg und Fall der Gruppe Sport« (2006). www.diegruppesport.de


8. Februar – Congress Centrum Würzburg

»Eine spannende Mischung aus Lesung und Kabarett, aus fröhlicher Deutschstunde und Show« versprach das Faltblatt zur Deutschland-Rundreise des SPIEGEL-Online-Redakteurs Bastian Sick. Mit seinen drei Bänden »Der Dativ ist dem Genitiv sein Tod« ist der Autor der Kolumne »Zwiebelfisch« längst zum unumstrittenen Star derjenigen geworden, die den Niedergang der deutschen Sprachkultur im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Verfall der bürgerlichen Werte sehen: Und das sind immerhin etwa zweieinhalb Millionen Leser, die Sick mit seinen witzigen Sprachglossen bisher erreicht hat.
So präsentierte er sich im ausverkauften Würzburger Congress Centrum auch mehr als beredter und witziger Entertainer, denn als pädagogisch belehrender Sprachpurist. Und erfüllte damit nur bedingt die Erwartungen seines Publikums, das seinerseits einen repräsentativen Querschnitt der gesamten unterfränkischen Lehrerschaft zu verkörpern schien. Hielt der erste Teil des Abends noch die Balance zwischen profunder Stilkritik und selbstbezüglicher Pointenhascherei, so kippte die Schau nach der Pause endgültig in pure Unterhaltung der leichtesten Sorte, gipfelnd im ermüdenden Spiel mit schiefen Sprach-Bildern und in den mindestens peinlich wirkenden Versuchen Sicks, sich mit den populistischen Stilmitteln des »Unterschicht-Fernsehens« als eine Art singender Überwinder europäischer Sprachgrenzen zu profilieren. Da stieß das merkantil erfolgreiche Konzept endgültig an seine inhaltliche Begrenztheit: eine »Sprachkritik«, die sich selbst ernst nimmt, ist, wie wir nicht erst seit Karl Kraus wissen, vor allem eine Kritik der Begriffe und der durch sie repräsentierten Denk- und Gesellschaftsform, also genau das Gegenteil dessen, was Sick in seiner Hitparade der Oberflächenphänomene seinem Massenpublikum geschäftstüchtig anbietet. (maz)


26. Februar, 17 Uhr – Rathaus

Einige Interessierte, vermutlich überwiegend Schüler und Angehörige, versammelten sich zur Vernissage mit Arbeiten vom Leistungskurs Kunst im oberen Stockwerk. Ergänzend im Eingangsbereich (von der Domstraße her kommend): Architekturmodelle zum Patriziergelände aus dem Grundkurs Architektur.
Patriziergelände? Die meisten Würzburger werden das Gelände und die alten Backsteinbauten der ehemaligen Würzburger Patrizierbrauerei in der Frankfurter Straße kaum kennen. Zwar steht hier gleich im Eingangsbereich das Sieboldt-Museum, doch über ungebremsten Besucheransturm kann sich dieses kleine, aber feine Museum nicht gerade beklagen. Die anderen dahinterliegenden Sehenswürdigkeiten wie das Theaterensemble oder die Künstlerateliers sind schon nur noch Insidern bekannt. Einzig das AKW, das Autonome Kulturzentrum Würzburg, dürften einige der jüngeren Würzburger kennen. Außerdem noch auf dem Gelände vorhanden: ein Sportstudio, eine Sektkelterei und eine Basketballhalle.
Wenn man über das Gelände spaziert, nimmt einen der morbide Charme, den all die einzelnen Gebäude ausstrahlen, gefangen. Daran ändern auch die Zeichen an den Wänden, welche aktueller Natur sind (Graffiti), wenig – eher wirken sie noch menetekelhaft, und es wird bald klar: Hier regiert die Vergänglichkeit. Niemand ist da, der mehr als einen zaghaften Versuch unternimmt, sich ihr zu widersetzen. Im augenblicklichen Zustand würde die ganze Anlage bestenfalls noch eine brauchbare Kulisse für einen deutschen Krimi abgeben – kein Wunder, daß viele Würzburger diese Ecke meiden.
Erschwerend kommt hinzu, daß die Würzburger zur Zeit ganz andere städtebauliche Probleme haben (Bahnhofsarkaden, Mozartareal, Hotelturm, Petrinibau …), als daß sich jemand Gedanken machte, wie zukünftig mit dem Patrizierareal zu verfahren wäre.
Ausgehend von der grundsätzlichen Überlegung, das Areal möglichst als Ganzes zu retten und für die Stadt Würzburg zu erhalten, stellte der Künstler Wieland Jürgens, Kunsterzieher am Friedrich-König-Gymnasium, in einem Grundkurs Architektur der 13. Klasse die Aufgabe, aus der ganzen Anlage einen Kultur- und Freizeitpark für Würzburg und Umgebung zu entwerfen. Die verkehrstechnischen Voraussetzungen dafür sind nicht die schlechtesten, die Anbindung an die Innenstadt (Straßenbahnendstation) und Parkplätze wären da. Die vorhandenen kulturellen Einrichtungen sollten natürlich erhalten, gegebenenfalls sogar erweitert werden.
Einige Ergebnisse dieser Semesterarbeit sind noch bis Mitte März, eventuell auch länger im Eingangsbereich des Würzburger Rathauses ausgestellt und als Anregung für die Stadträte gedacht, sich diesem Problem einmal wirklich ernsthaft und zukunftsweisend zu stellen. Und ein Blick in die Ausstellung lohnt schon wegen der Fotos, die zeigen, was hier zu verlieren ist. (jk)



Literatur und Politik Live – Eine Auswahl der Redaktion aus den Vorträgen und Lesungen der nächsten Monate.

9./10. März, 20 Uhr, Kunstkeller: »Ein Gespräch in Briefen« – mit Texten von Rainer Maria Rilke und Marina Zwetajewa.
16. März, 20.15 Uhr, Buchladen Neuer Weg: Der Politikwissenschaftler Tobias Pflüger (MdEP) spricht zum Thema »Militärmacht EU« – mehr Frieden durch die deutsche EU-Ratspräsidentschaft.
19. März, 20 Uhr, Stadtbücherei Würzburg: Die Publizistin und Literaturkritikerin Iris Radisch stellt ihr Sachbuch »Die Schule der Frauen« vor.
20. März, 19 Uhr, Gasthaus zur Holzmühle: Der Poet Fuad Rifka liest seine Lyrik in arabischer und deutscher Sprache.
21. März, 20 Uhr, Stadtbücherei Würzburg: Der Bestsellerautor Louis Begley liest aus seinem Roman »Ehrensachen«.
22. März, 20 Uhr, Buchhandlung Dreizehneinhalb: Der ukrainische Romancier und Essayist Juri Andruchowytsch liest aus seinem Roman »Moscovaida«.
29. März, 20 Uhr, Bronnbach Künstlerkeller:In der neuen »Literatur-Lounge« erwartet Gastgeberin Sandra Maus die Autoren des »mainfränkischen Asterix«: Gunter Schunk, Hans-Dieter Wolf und Kai Fraas lesen aus »ihrem« Asterix und andere amüsante Texte, teils auch aus Würzburg, aber auf Hochdeutsch.
30. März, 20 Uhr, Stadtbücherei Würzburg: Stadtbücherei-Stammgast Ingo Schulze liest Geschichten aus dem Ende Februar neu erschienenen Erzählungsband »Handy«.
3. April, 20.15 Uhr, Buchladen Neuer Weg: Der Journalist und Publizist Jürgen Elsässer stellt die Thesen seines neuen Buches »Angriff der Heuschrecken. Zerstörung der Nationen und globaler Krieg« vor.
8. April, 20 Uhr, Bronnbach Künstlerkeller: In »Der Klang der Bücher« verschmelzen ausgewählte Literatur und bemerkenswerte musikalische Werke zu einer neuen Gesamtkomposition, von und mit Rainer Appel & Christian Swirczek.
16. April, 20 Uhr, Stadtbücherei Würzburg: Der SPIEGEL-Reporter Klaus Brinkbäumer stellt das Buch »Der Traum vom Leben« – eine afrikanische Odyssee vor.
22. April, 17 Uhr, Wortraum Winterhausen: Der Lyriker und Erzähler Uwe Kolbe liest alte und neue Gedichte unter dem Titel »Sailor’s Home«.
25. April, 20 Uhr, Stadtbücherei Würzburg: Der Münchner Friedrich Ani liest aus seinem Kriminalroman »Idylle der Hyänen« mit dem Hauptkommissar Polonius Fischer.
3./10./24./31. Mai, 20 Uhr, Werkstattbühne Würzburg: »Erdbeermund« ist eine erotische Revue über Liebe, Haß und Leidenschaft mit Texten der Dichter Charles Baudelaire, Francois Villon und Arthur Rimbaud.
8. Mai, 20 Uhr, Stadtbücherei Würzburg: Die Journalistin und Historikerin Barbara Beuys stellt ihre Biografie »Paula Modersohn Becker – oder: Wenn die Kunst das Leben ist« vor.
10. Mai, 20 Uhr, Stadtbücherei Würzburg: Der Germanist Dieter Sudhoff stellt den Erzählungsband »Fremde Mädchen« mit neu entdeckten Geschichten von Leonhard Frank vor.
14. Mai, 20 Uhr, Saalbau Luisengarten: Der Kolumnist Axel Hacke liest nochmals Texte aus »Der weiße Neger Wumbaba kehrt zurück!« und andere Geschichten.
23. Juni, 20 Uhr, Stadtbücherei Würzburg: Der Romancier und Dramatiker Eric-Emmanuel Schmitt liest aus dem Band »Odette Toulemonde und andere Geschichten«. (maz)


Die unterfränkische Beteiligung bei der diesjährigen art Karlsruhe, die vom 22. bis 25. März 2007 stattfindet – Vernissage ist am 21. März –, ist uns durchaus eine Meldung wert. Herbert Mehler aus Riedenheim wird dort mit seinen gerippten und konvex-konkav gefalteten Cortenstahl-Figuren durch die Berliner Galerie Tammen (Halle 3 Stand J 27) vertreten sein; ergänzt wird die Präsentation durch einen umfangreichen Katalog unter dem Titel »kavex – Skulpturen von Herbert Mehler«, der in Zusammenarbeit mit dem Würzburger Museum am Dom entstand und daselbst sowie den Buchhandlungen dreizehneinhalb, Neuer Weg und Knodt erhältlich ist.
Unter dem Titel »kavex« wird Mehler vom 20. April bis 1. Juli seine Skulpturen ebenfalls im Würzburger Domkreuzgang zeigen und vom 19. April bis 27. Juli in der Stadtbücherei mit Zeichnungen ergänzen. (sum)

Die Karlsruher Messe ist erst vier Jahre alt. Sie gilt aber inzwischen mit ihrer Schau auf rund 30 000 qm besonders durch ihren Schwerpunkt Skulptur im Bereich Klassische Moderne bis Gegenwartskunst als bestätigt: www.art-karlsruhe.de


nummerfünfundzwanzig erscheint Anfang April 2007.