Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Bulgarien
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Fotos: Achim Schollenberger

v.l.n.r.: Rudolf und Marianne Erben, Prof. Bernd Glemser, OB Pia Beckmann, Margit Kirchner, Helga Fricke und Stefan Bauer (Distelhäuser Brauerei).

Leise flehen meine …

Die Kulturpreisverleihung
am 30. November 2006

von Berthold Kremmler

»Im Zuge weiser Selbstbeschränkung angesichts angegriffener Kassen …« – so etwa könnte der Bericht über eine Preisverleihung in der Kultur beginnen, weil die Stadt begriffen hat, daß sie sich beschränken muß, wenn sie ökonomisch schon nichts investieren will. Aber die Stadt Würzburg scheint in diesem Jahr wieder das große Los gezogen zu haben: Einmal mehr kann sie sich vom großzügigen Sponsor aushalten lassen – das ist ganz wörtlich zu verstehen, denn der lädt ja sogar zum Imbiß ein – und dann sprudeln die Preise. Der einzige finanziell dotierte Preis ging diesmal an einen Meister seines Fachs, den international renommierten Pianisten Bernd Glemser, die Medaillen, deren Gewicht beeindruckender ist als ihre ästhetischen Qualitäten, erhielten nicht etwa die gewohnten zwei Personen, vielmehr wurden die einfach verdoppelt: Vier Personen bekamen also zwei Medaillen, macht aber trotzdem vier Namen: zwei Vertreter der Volunteers des Kulturspeichers, Frau Helga Fricke und Frau Margit Kirchner, sowie das Ehepaar Rudolf und Marianne Erben. Es war wie in der Schule: Damit war nämlich Publikum in ausreichender Zahl bereits gesichert. Und so waren denn auch die Massen ins Bockshorn geströmt und haben die Preisträger hochleben lassen. Selbst die Stadträte, die sich sonst der Kultur nur mit spitzen Fingern nähern, waren diesmal so zahlreich erschienen, daß die Frau Oberbürgermeisterin stolz verkünden konnte, der Stadtrat sei entscheidungsfähig. Ob wirklich alle sechsundzwanzig Angekündigten da waren?! Aber wer kennt sie schon alle, die sich sonst bei kulturellen Anlässen, mit Ausnahme weniger Habitués, rar machen, und traute sich, das zu überprüfen …?

Somit war die Preisverleihung in der Papierform in schönster Balance: Einem ungewöhnlich gewichtigen Preisträger, dem schlaksig-hageren Pianisten, stand die geballte Macht der Medaillenempfänger gegenüber. Diese schöne Balance setzte sich im Dank der Ausgezeichneten fort: Der Pianist ließ den Flügel sprechen, da er das besser könne als zu reden, und die Medaillen nutzten die Gunst der Stunde zu verbalen Kaskaden, zumindest der weibliche Teil und damit immerhin die Mehrheit.

Aber ganz so einfach war der Ablauf denn doch nicht, denn es gab ja noch einen ordentlich festlichen Rahmen. Wer freilich gehofft hatte, da kämen durch den neuen Kulturreferenten einige Glanzlichter hinzu, dem wurde die Hoffnung auf Lichter schnell ausgeblasen: die Stummheit der beiden Vorgänger hat offensichtlich zu einer solchen Verdunkelung der Aufmerksamkeit in der Verwaltung geführt, daß der neue Referent nach seiner namentlichen Nennung nur noch seine Honneurs im allgemeinen Geplauder machen konnte. Wenn es zu glänzen gilt, duldet eine publizitätserfahrene Oberbürgermeisterin keinen Glanz neben sich und läßt sich so leicht nicht die Butter von der Distelhäuser Brezel nehmen.

Auf einen musikalischen Rahmen kann eine städtische Festveranstaltung unmöglich verzichten, schon gar nicht bei einer so musikalischen Stadt wie Würzburg. Also begann und endete die Preisverleihung mit Musik, nein, nicht des Preisträgers, sondern eines weiteren Pianisten, Sebastian Bernard. Der fand als Bach’sche Intrada eine ganze Englische Suite angemessen – schön phrasiert, wenn auch etwas trocken – und eine Liszt’sche Ungarische Rhapsodie in einer Bearbeitung von Horowitz in einer Bearbeitung durch den Pianisten selbst – wer hätte da noch den Überblick behalten sollen? Der ging denn prompt auch verloren, und man segelte auf einmal auf einem unüberschaubaren Tönemeer.

Und nun gelangen wir endlich zur Verleihung des Kulturpreises selbst an Bernd Glemser. Die Verdienste des Pianisten sind unüberschaubar, und eigentlich auch unübersehbar. Da war es dem Preisträger schon ein kleines Bonmot wert, daß er dem Stadtrat doch tatsächlich jetzt in den Blick geraten ist und er einer Auszeichnung auch in Würzburg für wert befunden wurde. Sprach’s und spielte sich selbst ein Schubert-Liszt’sches Ständchen* von melancholisch-noblem Reiz; man konnte seine Berührtheit spüren und erinnerte sich nur noch schwach daran, daß die Oberbürgermeisterin doch tatsächlich zuvor das Wort »Standort Würzburg« über die Lippen gebracht hatte. Herr Glemser wird sich trösten, daß er in einer Umlandgemeinde lebt und an Würzburg nur das große Ganze lieben muß.

Das war schlank und elegant und zu Herzen gehend.
Zur Sache ging es danach, zur stadträtlichen Selbstdemontage. Denn die erste Medaille ging an die Volunteers des Kulturspeichers. Daß das eine schöne Einrichtung ist, wenn die Bürger die Selbstorganisation des Museums mitübernehmen, versteht sich, das ist gut für die Bürger und gut fürs Museum, befriedigt beide gleichermaßen und hilft auch noch dem Etat. Für die Stadt aber auch bitterer Zwang. Denn, nicht wahr, das war bei der Finanzplanung nicht vorgesehen, daß Aufsichts- und sonstiges Hilfspersonal Geld kostet?!

Auf die Idee hat wohl niemand kommen können. Der Anschaffungsetat läßt sich auf diese Weise freilich nicht aufmöbeln. Wenn man diese Art Planungsgeschicklichkeit in Anschlag bringt und zusätzlich die anderen pompösen Bauruinen im Hinterkopf hat, kann einem um die Arcadenplanung des Stadtrats angst und bange sein. Die Volunteers haben jedenfalls eine gute Figur gemacht und schön für sich selbst geworben, und gezeigt, daß ihr Unterbau solide auf der konkreten Kunst beruht: die Strümpfe der Frau Kirchner waren einfach klasse kunstbewußt …

Beim Ehepaar Erben glänzte vor allem Frau Marianne mit ihrem charmanten Vortrag in Altgold und mit Witz – es muß den Altwürzburgern wie eine Trockenbeeren-Auslese gemundet haben, als sie die Stadt Würzburg in den Farben von vor dem Krieg malte und ihr ordentlich nachtrauerte. Das war brillant vorgetragen, aber doch sehr in altmeisterlicher Abendstimmung, wenn sie auch recht hatte, manche Bausünde der letzten Jahre anzuprangern. Manchmal könnte ein Hauch von Sünde doch selbst in einer katholischen Stadt das Leben schöner machen. Aber ob wir uns einig werden könnten, wann ein Hauch sich in eine Todsünde verwandelt?

Zum Glück lösen sich solche zweifelnden Gedanken in der Geistigkeit der Distelhäuser Getränkespenden (nicht nur das Bier mundet!) und in bewegter Unterhaltungskunst auf. Der nächste Kulturpreis für die Brauerei und die charmanten Gastgeber des Bockshorns, das Ehepaar Repiscus! ¶


* von Glemser eingespielt 1991 bei Koch/Schwann.