Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Bejing
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Foto: Alice Natter

Sandra Maus

Geschichten ohne Masken

von Alice Natter

Eine Geschichte hat sie geträumt. Da ist sie morgens aufgewacht, hatte alles im Kopf. Und brauchte sich nur noch hinsetzen und es festhalten. Sie schrieb den ganzen Tag, und abends war wieder eine kurze Erzählung fertig. Einfach so. Die Ideen kommen. Aus dem Bauch heraus. Beim Fahrrad fahren. Bei der Arbeit. Wenn sie stundenlang in der Werkstatt sitzt und meterlanges graues, Kunsthaar zur Perücke knüpft. Wenn sie den Schopf für eine Sängerin frisiert, Bärte macht. Oder hinter den Kulissen, kurz vor der Premiere, einen aufgeregten Schauspieler schminkt. Viel schreibt sie, wenn sie Zug fährt. Ringbuch und Stift zum Festhalten des vorbeihuschenden Gedankens sind stets in der Tasche. Zur Sicherheit. Und jetzt steht ihr erstes, eigenes gedrucktes Bändchen im Regal: Sandra Maus, die Maskenbildnerin des Mainfrankentheaters, hat 15 ihrer kleinen, größeren Kurzgeschichten mit Peter Hellmund, dem Huth-Macher und Mann des klein-feinen Würzburger Verlags, zwischen Buchdeckel gefaßt.

Wie, wieso kommt jemand, der virtuos mit Brennschere, Schminke und Puder umgeht, zum Schreiben? Sandra Maus lacht. »Meinen ersten Roman habe ich in der fünften Klasse in ein Ringbuch gekritzelt.« In der Enid-Blyton- und Pferde-Phase. Es war eine Detektivgeschichte, sie spielte im Wilden Westen. Bis Seite 36 kam die Jung-Autorin vom Niederrhein damals, dann war Schluß. Aber das Schreiben ging weiter. Tagebuch, täglich. Und Phantasieaufsätze. Nach der Schule? Erst Französisch- und Musikstudium in Köln, auf Lehramt. Aber das Theater rief. Sandra Maus stand die leidige Friseurlehre durch und machte dann in Köln die Ausbildung zu ihrem Traumberuf. Den übt sie – »glücklich« – seit drei Jahren als Geselle in Würzburg aus.

Sie mag ihre Kollegen, mag das »hübsche Städtchen«. Und kurze Geschichten. »Weil man die recht gut in kurzer Zeit niederschreiben kann«. Weil Figuren darin einfach mal so auftauchen können. Und weil sich Kurzes gut für Lesungen eignet. Sandra Maus liest gerne. Sie will wissen, ob sie die Leute erreicht. In Würzburg konnte man sie öfters schon hören. Bei Lesungen des Autorenkreises, im Chambinzky. »Wo gibt es das zu kaufen«, wurde die 30jährige immer mal wieder gefragt. Also: Sie brauchte ihr eigenes Buch. An einen großen Verlag hätte sie »die Sachen nie geschickt«, sagt Sandra Maus. Daß sie Peter Hellmund ins Programm nahm, empfindet sie als großes Glück. 15 Kurzgeschichten, zwischen zwei und knapp 30 Seiten lang, hat sie für das gemeinsame Projekt ausgesucht.

Was die Geschichten verbindet ist das Thema: Begegnungen. Es geht um alltägliche Erlebnisse. Um kleine Dinge und Besonderheiten, die das Leben ausmachen. »Geschichten, wo man sich wieder erkennt.« Eine Zugfahrt, eine schlaflose Nacht neben dem Geliebten. Kleine Kindersünden mit Mirabellenschnaps. Das Drama um ein heruntergefallenes Ei.

»Es wird Leute geben, die mit den Geschichten nichts anfangen können.« Die Autorin warnt lächelnd. Wer denn? »Sarkastische, sehr intellektuelle Leute, die große Kunst erwarten.« Und: »Jemand, dem das Alltägliche nicht genug ist.« Ein Maus-Leser sei ein Alltagsmensch. Und vielleicht: »Eher eine Frau.« Die schreibende Maskenbildnerin denkt da nicht nur an die Ich-Erzählung »Shopping«. Vielleicht, weil es Männer schlechter ertragen zu lesen, wie ein Geschlechtsgenosse gehörig danebenlangt.

Na dann, sind die Geschichten kitschig? Seicht? Eher leicht. Leicht zu lesen. Und luftig auch. »Vielleicht war es nur der Wind«. Er paßt, der Titel. ¶


Sandra Maus: Vielleicht war es nur der Wind – und andere Begegnungen. Buchverlag Peter Hellmund (Würzburg 2006), 126 Seiten, € 8,90. ISBN 3-939103-02-0