Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Bejing
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Foto: Andrea Braun

»… gebt uns die Chance,
Kunst zu machen!«

Ein Gespräch mit Jin Wang, Generalmusikdirektor
am Mainfrankentheater Würzburg

von Andrea Braun

Herr Wang, erzählen Sie uns doch erst einmal etwas darüber, wer Sie sind und warum Sie Musiker geworden sind. Was hat Sie zur Musik gebracht?

Nun, ich habe mit sieben Jahren angefangen, Geige zu spielen – um zu überleben! Ich lebte damals in Peking, und es war die Zeit der Kulturrevolution in China. Alles, was aus dem Ausland kam, war damals verboten – auch Beethoven; was historisch war, war verboten; Professoren wurden aufs Land geschickt, um als Bauern zu arbeiten; Künstler durften nicht auftreten, sondern wurden auch als Landarbeiter eingesetzt; die jungen Leute hatten nichts zu tun, weil alle Schulen geschlossen waren. Das war ein unvorstellbares Chaos und Durcheinander in dieser Zeit!
Eines Tages kam mein Bruder nach Hause und sagte zu mir: Du mußt Geige lernen! Denn etwa nach der Hälfte dieser Zeit der Kulturrevolution wurde plötzlich wieder Musik gebraucht – allerdings nur Revolutionslieder und solche Sachen. Aber natürlich gab es erst einmal niemanden, der das spielen konnte, denn es gab ja auch keine Ausbildungsmöglichkeiten für Musiker. Und so hatte plötzlich jemand, der ein Instrument spielen konnte, eine Chance, in der Stadt zu bleiben, statt als Landarbeiter irgendwo in den hintersten Winkel des Landes geschickt zu werden.
Deshalb war es so, daß die Musik damals eine Art Überlebensversicherung darstellte. Als die Kulturrevolution zu Ende ging, wurde das alles zum Glück langsam wieder besser.

Und dann sind Sie trotzdem bei der Geige geblieben?

Ja. Aber das hat auch damit zu tun, daß meine Eltern ebenfalls Musiker sind: Mein Vater war ein sehr bekannter Opernsänger, wurde später auch Professor für Gesang. Seine Schüler singen heute an der Met in New York; haben große Wettbewerbe in Italien, England und so weiter gewonnen. Und meine Mutter ist eine Pianistin, die damals auch sehr berühmt und sehr aktiv war. Ja, und in China war es, als ich dort aufwuchs, auch noch so, daß man den Beruf gerne von den Eltern übernahm: Wenn der Vater Tischler war, dann wurde der Sohn auch Tischler – da meine Eltern Musiker waren, wurde ich eben auch Musiker.
Das war seinerzeit allerdings nicht ganz leicht, denn es gab zum Beispiel überhaupt keine Noten zu kaufen, weil ja alles verboten war. Alle Noten, die wir besaßen, hatte meine Mutter nächtens von Hand kopiert, und man mußte sehr vorsichtig sein, daß das niemand entdeckte, denn sonst hätte man diese Blätter alle auf der Straße verbrannt.
So mußte ich auch, wenn ich damals Geige spielte, einen riesigen Dämpfer benutzen und durfte bloß bei verrammelten Türen und Fenstern üben, damit das ja nicht der Nachbar hörte – sonst hätte meine ganze Familie am nächsten Tag in ein Arbeitslager deportiert werden können!
Wenn jemand an der Tür klopfte, mußten wir deshalb sofort alle Noten wegräumen und anfangen, Revolutionslieder zu spielen – das war schon sehr hart.
Als ich zwölf Jahre alt war, kam ich dann auf die Peking-Art-School, die damals die einzige Schule war, die ausnahmsweise auch Kinder von Professoren oder Künstlern aufnahm – normalerweise durften nur Kinder von Arbeitern, Bauern oder Soldaten Musik oder ein Instrument erlernen.
Damals wollte ich unbedingt ein zweiter David Oistrach werden, denn der war mein großes Idol. Deshalb habe ich sehr viel geübt: In den Ferien pro Tag zwölf Stunden, in der Schulzeit auch den ganzen Nachmittag und Abend, etwa sieben Stunden. So war ich dann bald ziemlich gut und wurde mit 16 bereits als zweiter Konzertmeister beim Peking-Symphony-Orchestra angestellt. Leider hatte durch das viele Üben meine Schulter Schaden genommen …

Ja, zwölf Stunden am Tag ist doch ein bißchen viel …

Das kann man wohl sagen! Ja, und damit hatte sich das mit dem zweiten Oistrach auch erledigt … Aber Orchestermusik gefiel mir eigentlich auch ganz gut – nur die Arbeit mit schlechten Dirigenten: Das war die Hölle für mich! Und gerade deshalb wurde ich dann selbst Dirigent.
Jeden Tag in der Probe dachte ich: Oh nein, was macht der da? Das könnte man viel besser machen! Ja – und so verstehe ich heute auch die Seite der Musiker immer ganz gut …

Wo haben Sie dann Dirigieren studiert?

Zuerst einmal privat, überall, wo man in China etwas lernen konnte, denn die Hochschulen waren noch immer nicht offen für mich. So habe ich mein eigenes kleines Ensemble gegründet, selbst komponiert, dirigiert, Proben abgehalten …, das war sehr mühsam. Schließlich war die Kulturrevolution aber beendet, das ganze System lief so halbwegs und dann wurden auch die Hochschulen wieder für alle geöffnet.
Allerdings gab es da dann das erste Jahr kein Dirigieren, das zweite Jahr kein Dirigieren …, und das dritte Jahr gab es das plötzlich, und ich stürmte sofort dahin. Aber das war wirklich hart, denn China ist so groß, es gab so viele Leute, weil sich der Andrang ja jahrelang mangels Möglichkeiten gestaut hatte – und dadurch war das Niveau sehr, sehr hoch, weil man nur zwei Leute aufnehmen konnte.

Was war Ihr Berufseinstieg als Dirigent?

Ich habe schon während meines Studiums alle großen Orchester in China dirigiert, bin damals zum Beispiel einmal im Monat nach Shanghai geflogen, um mit dem dortigen Symphonieorchester zu arbeiten. Dann habe ich in China einen Wettbewerb gewonnen, woraufhin mich das Ministerium für Kultur nach Polen schickte, um dort ebenfalls an einem Wettbewerb teilzunehmen.
Und das war ein echter Schock für mich, denn in China hatte ich ja schon als Dirigent gearbeitet und fühlte mich soweit ganz kompetent – und plötzlich sah ich: Die europäischen Dirigenten machten ihre Musik ja ganz anders! Nicht so technisch, sondern nach einem ästhetischen Prinzip. Und sie sprachen über Nicolaus Harnoncourt und seinen neuen Mozart … Wir hatten diese Informationen nie bekommen, wir wußten das gar nicht! Für uns war Mozart wie eine Bibel – und plötzlich sollte es eine neue Bibel geben? Was?! Und da habe ich gemerkt: Ich muß noch mal studieren.
Daraufhin bin ich nach Wien gegangen und habe noch einmal vom ersten Semester an ein Studium bei Karl Österreicher gemacht, um dort einfach noch einmal die Grundprinzipien zu lernen.
Das Problem war dann allerdings nach dem Studium: Ich kam aus China, ich kannte niemanden, und niemand kannte mich, niemand half mir.
Was sollte ich also tun?
Nun, die einzige Möglichkeit war, einen Wettbewerb zu gewinnen. Und noch einen. Und noch einen … Ich habe neun Wettbewerbe gewonnen, weil das für mich die einzige Chance war, weiterzukommen.
Dadurch habe ich aber auch viel gelernt, das war ein gutes Training. Und dann kamen die Engagements: Nachdem ich den »Prager Frühling« gewonnen hatte, durfte ich so ziemlich alle Orchester in Tschechien dirigieren und wurde Assistent von Vaclav Neumann. Dann habe ich den Toscanini-Wettbewerb gewonnen und sehr viel in Italien dirigiert, in Skandinavien, in Rumänien, und so weiter und so fort …

Das ist der sogenannte Wettbewerbstourismus …

Ja – aber so konnte ich langsam immer mehr Konzerte machen, und dann folgten auch die festen Engagements, beim tschechischen Radioorchester, als Gastprofessor in Göteborg, als ordentlicher Professor in Stockholm …, so ging es weiter.
Irgendwann landete ich dann in Deutschland, als erster Kapellmeister an der Komischen Oper in Berlin. Das hatte ich niemals so geplant, aber das interessierte mich dann doch sehr, dieses Regietheater, das ganze System.

Was würden Sie als Ihren Repertoireschwerpunkt bezeichnen?

Meine große Liebe ist Gustav Mahler; das ist keine Frage. Mahler ist der größte Symphoniker der Musikgeschichte, er hat in jeder Hinsicht das Limit erreicht – insofern ist das die größte Herausforderung für jeden Dirigenten.
Als ich das erste Mal Mahlers Neunte gemacht habe und mich mit der Partitur beschäftigte, hatte ich sofort den Eindruck: Diese Musik kenne ich, das ist mir irgendwie verwandt, wie für mich geschrieben! Ich weiß nicht, ob das aus meinem vorigen Leben kommt, oder so, aber ich habe einen einfachen Zugang zu dieser Musik.
Dazu kommt sicher auch, daß ich so eine Art Schlüsselerlebnis mit Mahler bei Leonard Bernstein hatte: Er hat mir gezeigt, wie man mit dieser Art der Partitur umgehen muß.

Aber Mahler hat ja keine Oper geschrieben. Wie kommen Sie in Ihrer Eigenschaft als GMD mit den Stimmen zurecht?

Ich habe schon als kleines Kind oft meinen Vater unterrichten hören. Als ich dann selber Student war, unterrichtete ich schon meine Kollegen, denn ich konnte – und kann bis heute – immer genau sagen, wo welches technische Problem liegt: Wenn du das so machst, wird die Stimme heißer, so wird das gehen, so bist du morgen krank … So habe ich schon als Kind sehr viel Repertoire mitbekommen und sämtliche großen Stimmen dieser Zeit sehr früh kennengelernt.
Mein Lehrer an der Hochschule in China war Chefdirigent an der Central Oper Peking, und so konnte ich schon im Laufe des Studiums viele der großen Opern dirigieren. Carmen, Madame Butterfly, Figaro …, das hatte ich alles schon vor dem Abschluß gemacht. In chinesischer Sprache wohlgemerkt!

Aber ist das nicht wahnsinnig schwer, denn die chinesische Sprache ist doch eine Intonationssprache – wie bekommt man das dann auf diese Melodien hin?

Eine sehr gute Frage – die Übersetzung ist da unglaublich schwierig, so etwas dauert jahrelang! Aber wenn es gut gemacht ist, dann geht das schon ganz gut.

Wie war es für Sie, nach Würzburg zu kommen? Warum sind Sie aus Berlin weggegangen?

In der Komischen Oper in Berlin habe ich sehr viele interessante Dinge entdeckt im Regietheater, bezüglich dieses neuen Wegs, Opern zu produzieren. Da hatte ich auch das Glück, mit vielen bekannten Regisseuren zusammenzuarbeiten, wie Willy Decker, Konwitschny, solchen Leuten. Aber dort war ich ja nur erster Kapellmeister, und dann war Berlin auch als Stadt nicht so nach meinem Geschmack. Ich habe in Wien studiert und dort ist auch meine Familie – und irgendwie ist das für mich Europa: Diese alten Gebäude, die schöne Stadt. Dagegen dieser neue, moderne Beton – das ist wie in Asien, bloß sind sie dort besser in den modernen Sachen.
Würzburg dagegen gefällt mir als Stadt sehr gut, mit diesen alten Kirchen, der alten Kultur. Das ist in vieler Hinsicht ähnlich wie Prag, wie Wien. Und ich habe viele große Pläne, was ich hier machen möchte.

Wo, glauben Sie, stehen Sie im Augenblick mit Ihrem Ensemble hier, und wo wollen Sie hin?

Einer meiner Pläne ist zum Beispiel: Dieses Theater muß eine überregionale Bedeutung gewinnen!
Als ich aus Berlin weggegangen bin, hat man mich gefragt: Warum gehen Sie aus Berlin in die Provinz? Aber diese Frage habe ich überhaupt nicht verstanden – denn heutzutage gibt es dank der Medien, der Reisemöglichkeiten und so weiter ja gar keine echte Provinz mehr.
Ich möchte hier eine neue Zukunft schaffen, die international ist. Durch Konzertreisen, gemeinsame Produktionen …
Bevor ich hierher kam, war ich noch in China und habe mich mit verschiedenen Leuten unterhalten, in Peking, Shanghai, und so weiter. Mit dem Chef der Shanghai-Oper habe ich beispielsweise verabredet, gemeinsam Madame Butterfly zu produzieren.
Und mit dem Pekinger Opernhaus haben wir vereinbart, eine deutsche Oper zu machen. Durch solche Koproduktionen können wir einen internationalen Ruf gewinnen und auch viel Werbung für unsere Stadt machen.

Lassen Sie mich da mal eine ketzerische Frage stellen: Muß da nicht erst einmal das Orchester noch besser werden?

Sicher, sicher. Das ist auch ein Grund, warum ich diese erste Saison hier so gestalte, wie ich das getan habe.
Denn es ist so, daß es Orchester mit einer ganz eigenen Tradition gibt, wie meinetwegen das Leipziger Gewandhausorchester. Aber was ist mit den jüngeren Orchestern, ohne Tradition, ohne Namen? Das ist gerade in unserer Zeit sehr schwierig, denn das Publikum hat heute andere Ohren, ein anderes Niveau. Man ist verwöhnt durch solche Entwicklungen wie bei Harnoncourt, bei Gardiner, man verlangt, daß nicht nur schön gespielt wird, sondern mit Kultur, mit historischem Hintergrund – und in dieser Richtung möchte ich viel mit dem Orchester arbeiten, viel aufbauen.
Daher rührt auch meine Programmgestaltung: Zuerst Klassik, Romantik, Spätromantik, in den nächsten Jahren dann mehr Barock, um das erst einmal aufzubauen.

Für die nächste Saison haben Sie unter anderem Reinhard Goebel, den Gründer und – inzwischen muß man schon fast sagen: ehemaligen – Leiter von Musica Antiqua Köln als Coach und Dirigenten für eine Produktion engagiert?

Ja, er wird ein Symphoniekonzert mit klassischer oder barocker Musik dirigieren. Das wird sicher sehr interessant werden.
Wissen Sie, das Orchester ist die Basis eines Opernhauses. Die Solisten können wechseln, aber das Orchester nicht. Genau wie der Chor. Deshalb müssen wir da sehr viel Arbeit hineinstecken. Das Problem dabei ist: Die Zuhörer vergleichen unsere Aufführungen – ob sie es wollen oder nicht – automatisch mit CDs und Aufführungen der großen, bekannten Orchester oder auch der in historischer Aufführungspraxis spielenden Ensembles. Und so müssen wir einfach so gut werden, daß wir da mithalten können.
Wir leben in einer neuen Zeit und wir brauchen ein neues Niveau, eine neue Einstellung zu unserer Arbeit!

Wird das unter Umständen auch dazu führen, daß Sie authentisches Instrumentarium verwenden oder zumindest einmal Barockbögen oder so?

Sicherlich. Das werden wir langsam aufbauen. Ich glaube in Würzburg gibt es genügend Publikum dafür.

Wie sieht es mit zeitgenössischer Oper, mit modernen Inszenierungen aus?

Viele Leute meinen, wir müßten solches unbekanntes Repertoire machen. Ja, gut und schön – aber: Wie machen wir das, wie präsentieren wir das? Ich habe genügend Erfahrung auf diesem Gebiet, und wir werden das machen – aber wir werden das auf die richtige Art machen: Nicht das Publikum dadurch erschrecken, wegjagen. Oder sogar noch arroganter, nach dem Motto: Wir müssen das Publikum erziehen. Das finde ich falsch. Wenn die Leute nicht mitmachen, fehlt es uns schließlich einfach an Hörern.
Dieses Problem stellt sich auch bei den Symphoniekonzerten, wo auch die Schwierigkeit ist, daß wir pro Saison nur fünf haben, und das verschwindet schlicht im großen Angebot, das es allein in Würzburg gibt, aber auch außerhalb. Fünf Konzerte – das ist kaum wahrzunehmen!

Aber für viele Menschen in Würzburg sind diese fünf Konzerte doch sehr wichtig, und sie verfolgen genau, was da vorgeht, was da gespielt wird.

Ja, deswegen gehen wir unseren Weg in zwei Schritten: In erster Linie gute Qualität, interessantes Programm, um mehr Publikum zu gewinnen; und als zweiten Schritt dann mehr Konzerte machen oder andere Formen vorstellen. So wird es beim fünften Konzert eine Koproduktion mit der Musikhochschule, ein großes Event geben, wo wir Mahlers 2. Symphonie machen. Ich möchte damit allen Bürgern zeigen: Hier gibt es etwas Großes, etwas Interessantes!

In den letzten Jahren war es auch immer so, daß der GMD des Theaters gleichzeitig der künstlerische Leiter des Mozartfestes war. Das sind Sie jetzt nicht, soweit ich weiß?

Nein, weil niemand mir vorher gesagt hat, wie sich das gestaltet. Bei den Verhandlungen und auch, als ich meinen Vertrag unterzeichnet habe, war davon niemals die Rede, und ich wußte auch nicht, wie das bisher gehandhabt wurde. Das wurde auch gar nicht diskutiert, ob ich das will oder nicht – es war einfach so, wie es jetzt ist.
Ich weiß nicht, warum, und ich weiß auch noch sehr wenig über die organisatorische Seite des Mozartfestes, aber ich finde es sehr schön, daß es so etwas in der Stadt gibt.

Wie sehen Sie die räumliche Situation in Würzburg? Der Saal der Musikhochschule wird ja nun augenblicklich umgebaut – und sonst gibt es nicht allzuviele akustisch ansprechende Räume für Symphoniekonzerte.

Diesen Saal habe ich noch gar nicht kennengelernt, denn als ich kam, war er schon geschlossen. Aber das ist ein wichtiger Punkt: Einer Stadt, die so reich an Kultur ist, fehlt ein Ort, wo man etwas wirklich Gutes machen kann!
Und Orchesterentwicklung ist einfach sehr abhängig von einem guten Saal, von einer guten Akustik, das sieht man an vielen Beispielen: Concertgebouw Amsterdam, Musikvereinssaal Wien … alle Spitzenorchester haben einen Spitzensaal! Eine gute Akustik hilft eben auch, ein Orchester zu entwickeln. Und umgekehrt ist es für ein Orchester schwer, sich zu entwickeln, wenn es dafür keine gute Akustik hat. Das Gleiche gilt natürlich für Sänger und den Chor.
Wir werden sehen, wo solche Produktionen, wie die Zweite von Mahler, stattfinden können – wir tun, was möglich ist. Wenn wir mehr Publikum bekommen, können wir uns auch weiterentwickeln.

Welches Publikum möchten Sie eigentlich ansprechen? Das bisherige, ein besonders junges, oder ein anderes? Wie wollen Sie das angehen?

Erstens: Ich möchte mehr Publikum. Und natürlich ist das traditionelle Publikum unsere lebenswichtige Basis – und seine Wünsche sind mir in erster Linie wichtig, seine Hörertradition. Ich finde es nicht richtig, mit den Worten: »Wir wollen mehr junges Publikum« eine alte Tradition aufzugeben. Nein – wir wollen altes und junges Publikum, das muß so sein. Und manche Musik bedarf auch einer gewissen Grundbildung, einer gewissen Erfahrung und Reife beim Publikum, damit sie wirklich verstanden werden kann. Ich habe kein Problem mit älterem Publikum – ich liebe das.
Auf der anderen Seite geben wir uns aber auch viel Mühe mit Familienkonzerten, Jugendkonzerten, den Projekten zusammen mit der Hochschule, und so weiter. Aber das heißt nicht, daß wir uns nur für ein bestimmtes Publikum interessieren – man muß sich um alle kümmern.
Ich möchte auch ein kleines Festival mit Avantgardemusik aufbauen, zum Beispiel im Foyer des Theaters. Da könnte man eine Ausstellung dazu machen oder so, das wäre sehr schön.
Aber man muß den Leuten nichts aufdrängen. Das wäre so, wie wenn jemand eine Pizza Margherita bestellt und dann ein Kebab mit scharfem Chili bekommt – das funktioniert nicht. Das Publikum würde dann sagen: Hey, das habe ich nicht bestellt! Und dann kann man nicht einfach behaupten: Das ist unsere Pizza Margherita, Sie müssen umlernen. – Das ist falsch, so geht es nicht.
So werden wir klassische Musik für klassisches Publikum machen, jugendgerechtes Repertoire für junge Leute, Avantgarde für die Avantgardeliebhaber … Ich finde, das ist unsere Pflicht, das so zu machen.

Also können wir in Zukunft auch mal auf eine Barockoper hoffen?

Ja, auf jeden Fall. Gerade so etwas können die großen Häuser nicht machen. Unser Haus ist dagegen nicht so groß, da paßt das genau rein. Und das ist ein weites Feld, das man beackern kann.
Wir haben hier ein sehr gutes, kultiviertes und warmes Publikum; wir müssen nur das richtige Programm schaffen: Gut für das Publikum, gut für unser Haus.

Was ist Ihr Motto für Ihre Arbeit hier in Würzburg?

Neue Zeit, neue Kraft, neue Zukunft, neue Einstellung, neues Niveau!

Und Ihr größter Wunsch?

Nun, wir machen Kunst hier, und über Kunst gibt es immer Meinungsverschiedenheiten. Das ist an einem Theater ganz normal, wie es auch in jeder Familie, in jeder Ehe normal ist, daß man nicht immer und in allem die gleiche Meinung hat. Was ich mir wünsche ist nur, daß man aus solchen sachlichen Differenzen nicht mehr macht, als sie sind.
Wir machen Kunst, Theater für die Bürger – und da ist mein Wunsch: Laßt uns nicht unnötige Unruhe schaffen, sondern gebt uns die Chance, Kunst zu machen! ¶