Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Eisingen
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Akademieleiter Matthias Engert.
Fotos: Wolf-Dietrich Weissbach

Student mit Abschlußarbeit

»Die Leute machen einfach tolle Sachen.«

Die Akademie für Gestaltung der Handwerkskammer für Unterfranken zieht von Ebern nach Würzburg.

von Alice Natter

Den Garten werden sie wohl vermissen. Jahrgang für Jahrgang saßen die Studenten draußen auf der Terrasse – den Zeichenblock auf den Knien, über Skizzen gebeugt – und ließen zum Vogelgezwitscher den Gedanken ihren Lauf. Unter freiem Himmel lässt sich’s gut kreativ sein. Und den Kopf freizumachen für Ideen, Einfallsreichtum und produktiven Schöpfergeist zu fördern – das ist das oberste Ziel. Wenn die Akademie für Gestaltung in diesem Sommer vom idyllisch-beschaulichen Ebern ganz nach Würzburg ins Berufsbildungs- und Technologiezentrum zieht, wird vielleicht auch der eine oder andere Dozent die Gartenstunden vermissen.

Doch sie werden auch im Würzburger Industriegebiet ihre Sonnenecken und inspirierenden Nischen finden, die Gesellen und Meister des Werkstudiengangs »Gestalter im Handwerk«. Daß die Handwerkskammer für Unterfranken vor 14 Jahren ihre neue Akademie in Ebern gründete, war schließlich auch weniger der Idylle, denn dem freistaatlichen Förderprogramm für das ehemalige Zonenrandgebiet und der neu gebauten Meisterschule für Schreiner geschuldet. Mitte der 1980er Jahre hatte der Bezirk in Ebern nämlich Millionen verbaut und ein neues Schulgebäude errichten lassen, in dem Schreiner zu Restauratoren weitergebildet werden sollten. Schöne Idee – nur brauchte niemand Restauratoren.

Die Handwerkskammer wußte für das Gebäude eine Verwendung. Seit den 1970er Jahren, als in der ganzen Republik die Werkkunstschulen abgeschafft worden waren, war im Handwerk eine Lücke entstanden. Nur wer Abitur hatte, konnte sich an Fachhochschulen für Gestaltung oder gleich an einer Kunstakademie einschreiben. Das Thema Gestaltung wurde den Akademikern überlassen. Irgendwann, Anfang der 1990er Jahre, wurde man sich im Handwerk des Versäumnisses bewußt. Brav Bretter zu sägen und Metall zu verschweißen reicht in der industrialisierten Welt nicht mehr aus, der Handwerker muß über seine Werkbank schauen. Der Zentralverband des deutschen Handwerks wollte den Meistern und Gesellen aus den gestaltenden Berufen in neu gegründeten Akademien deshalb eine Weiterbildungsmöglichkeit schaffen. Der Werkstudiengang »Gestalter im Handwerk« entstand – und als eine von acht Ausbildungsstätten in Deutschland eben die Akademie in Ebern.

Kirchenmaler und Metaller, Raumausstatter und Fliesenleger feilen seitdem in den Lehrgängen an ihren kreativ-gestalterischen Fähigkeiten, vor allem Schreiner schulen den Sinn für gute Form. Auf dem Lehrplan: Grundlagen der Gestaltung und Materialkunde, Kunstgeschichte und Darstellungstechniken, projektbezogenes Entwerfen und nicht zuletzt Betriebswirtschaftliches wie Vertragsrecht und Kalkulation. »Wir möchten unsere Studenten in die Lage versetzen, über alle gestalterischen Dinge im täglichen Ablauf eines Unternehmens Bescheid zu wissen«, sagt der Goldschmied und Akademieleiter Matthias Engert. Deshalb stehen in der Akademie nicht nur ein eigener Brennofen und eine Druckpresse bereit, sondern ebenso Computer, Scanner und Digitalkamera.

Für die Verzahnung von Theorie und Praxis sorgen in der Akademie über ein Dutzend Dozenten: Allesamt selbständige, freiberufliche Künstler und Kunsthandwerker, die »aktuelle Marktbezüge« in den Unterricht einbringen. Beim Maler Wolfgang Kuhfuß lernen die Studenten Flächengestaltung, mit den Bildhauern, Thomas Reuter und Kurt Grimm, wird plastisch gestaltet, Georgia Templiner unterrichtet Grafik, Innenarchitekt Aaron Rößner vermittelt Wissenswertes über visuelle Kommunikation und digitale Bildbearbeitung. Bei Peter Stein und Katrin Feser lernen die werdenden Gestalter, mit freier Hand zu zeichnen, der ehemalige Akademieleiter Hans-Peter Lalleike vermittelt Farbgestaltung und richtige Perspektiven.

Die Teilnehmer lassen sich die Ausbildung viel Zeit und einiges Geld kosten: stattliche 4500 Euro pro Kurs. Im 13monatigen Vollzeitlehrgang bekommen sie dafür in 1615 Unterrichtsstunden eine Ausbildung in allen gestalterischen Disziplinen vermittelt. Freitag-nachmittags und samstags sind die Teilnehmer des Teilzeitlehrgangs zugange: Der umfaßt fast ebenso viele Stunden, dauert aber vier Semester. An diesem berufsbegleitenden Kurs nehmen denn auch eher erfahrenere Handwerker teil, die bereits eine eigene Firma haben, etabliert sind in ihrem Beruf. Ein Grund, warum die Handwerkskammer den Teilzeitlehrgang schon vor über zehn Jahren von Ebern nach Würzburg verlegt hat. Für anderthalb Tage in der Woche die berufstätigen Studenten nach Ebern fahren zu lassen – »das hat nicht funktioniert«, sagt Matthias Engert. Der Umzug der ganzen Akademie nach Würzburg nun – er ist also auch eine Art Familienzusammenführung.

Zusammen mit der Münchner Akademie für Gestaltung bemüht sich die unterfränkische Schule, daß der Abschluß »Gestalter im Handwerk« künftig auch als Meisterprüfung anerkannt wird. »Unser Ziel ist, daß sich die Gestalter gleich in die Meisterrolle eintragen können«, sagt Engert. »Das Niveau entspricht leicht einer Meisterprüfung.« An der Notwendigkeit, daß sich das Handwerk um Formgebung und Kreativität bemühen muß, läßt der Würzburger Goldschmied keinen Zweifel: »Daß die Handwerker künstlerisch fit sind, das ist ihre einzige Überlebenschance.« Über den Preis könne der Handwerker bei der harten Konkurrenz durch Massenproduktion nie etwas erreichen. »Nur über Service und eine Gestaltung, die sonst keiner bietet.« Den Akademieleiter ärgert, daß das Handwerk immer noch in zwei Lager gespalten ist. Da ist das Kunsthandwerk mit Anspruch, die angewandte Kunst. »Das sind die, die studiert haben und nichts mit Handwerk zu tun haben wollen«, sagt Engert. Und das sind die Handwerker selbst, die eine ganz andere Sprache reden und in deren Kammern Gestaltung viel zu oft kein Thema ist. »Dabei müßten alle im Handwerk ein vitales Interesse daran haben«, sagt Engert. »Ein Schreiner muß sich doch fragen, was schiebe ich durch die CNC-Maschine eigentlich durch? Kein Wunder, daß er sonst Leute ans Möbelhaus verliert.«

Doch der Frust verfliegt, wenn Engert »sieht, was bei uns rauskommt«. Die Abschlußarbeiten begeistern den Goldschmied immer wieder aufs Neue: »Die Leute machen einfach tolle Sachen.« Mit ihren Diplom-Arbeiten zeigen die Schreiner, Goldschmiede und Metaller, daß sie gelernt haben, Ideen nicht nur im Garten auf dem Zeichenblock zu skizzieren. Sie müssen ihren Entwurf auch professionell präsentieren und die Entstehung aufwendig dokumentieren. Auch die Ideen, die im Garten entstanden sind. ¶


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HWK Service GmbH, Tel. 09 31 / 4 50 04 11

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