Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Weimar
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Short Cuts & Kulturnotizen

Unlängst – Gerade soeben – Demnächst!
Was nicht dem Vergessen anheim fallen sollte – eine ganz subjektive Auswahl der Redaktion, nicht minder subjektiv kommentiert.


13. Januar, 20 Uhr – Cairo

Die Würzburger Variante dessen, was in großen Feuilletons unter dem Signum »Poplinke« figuriert, war versammelt, um mit dem Musikkritiker und Publizisten Martin Büsser und dem BR-Reporter Wolfram Hanke über das Phänomen eines in der Popkultur zunehmend offensiver auftretenden deutschen Nationalismus zu diskutieren. Während sich Hanke als postmoderner Radio-Mann auf eine Position stilistischer Vielfalt und relativistischer Beliebigkeit zurückzog, gar die Existenz eines Problems ignorierte, und seine Hoffnung ganz auf die »Macht der Quoten« kaprizierte, ging Martin Büsser das Thema deutlich differenzierter an: Sein Beitrag und andere Texte des Sampler »I can’t relax in Deutschland« sind aktuelle Bestandsaufnahme einer politischen Entwicklung in der Popkultur, die Büsser seit etlichen Jahren in einschlägigen Publikation und Büchern kritisch begleitet und kommentiert.

Was im Februar 2002 (bei einem Vortrag im Buchladen Neuer Weg) mit »Wie klingt die Neue Mitte« begann, findet im Aufsatz über die »Deutschen Kulturbewahrer« seine konsequente Fortsetzung. Büsser stellt die aktuelle Debatte um Deutsch-Quote, um deutsches Liedgut und die positive Konnotation nationaler Themen auch außerhalb des Mainstream in einen geistesgeschichtlichen Rahmen, dessen Wurzeln in die Zeit der Frühromantik des beginnenden 19. Jahrhunderts zurückreichen. Dort legten Denker wie Friedrich Schlegel mit ihrem antifortschrittlichen, entmaterialisierten Kulturverständnis die Grundlagen für einen elitären Begriff von »Kultur«, der in der »Nation« seine politische Formation findet.

An diesem Primat des Geistigen und Idealistischen konnten und können Nationalsozialisten und neue Deutschnationale genauso anknüpfen, wie in der damit verbundenen Ablehnung angloamerikanischer »Wegwerfkultur« wie einst Swing, Jazz und Rock’n’Roll als »Negerkultur« oder heute »Punk«, »Pop« und »Junk«. Wobei die Grenze zwischen einem elitär-reaktionären und einem liberal-fortschrittlichen Kulturbegriff schon lange nicht mehr zwischen Hoch- und Massenkultur verläuft, sondern beide durchzieht. Was die anschließenden Wortbeiträge aus dem Publikum in ihrem oft impulsiven Mischmasch nochmals bestätigend nachvollzogen. Niveauvolle Diskussionskultur läßt sich eben auch in der »Pop-Linken« nicht aus dem Boden stampfen. Dennoch hat »kommkuessen« mit dieser Veranstaltung einen Anfang gemacht, der unbedingt fortgeführt werden sollte. [maz]

Martin Büsser: Wie klingt die Neue Mitte. Rechte und reaktionäre Tendenzen in der Popmusik.
Ventil Verlag 2001. 144 S., 11,90 Euro.

Unterm Durchschnitt (Hg.): I cant’t relax in Deutschland. Sampler mit 20 Songs und Begleittexten u. a. von Martin Büsser und Roger Behrens. 15,99 Euro.

www.icantrelaxin.de | www.ventil-verlag.de


Post aus dem Kulturspeicher

Wer es für schwer hält, einem Hund beizubringen, sich auf das Kommando »Platz!« hinzulegen oder auf den Ruf »Faß!« einen Briefträger ins Bein zu zwicken, der weiß nichts von einem echten Kunststück, wie es jetzt täglich im Kulturspeicher zu sehen ist: nämlich der Dressur einer Kaffeemaschine.

Im Foyer des Museums versuchen Volunteers, einer etwas störrischen Maschine beizubringen, wie man kleine Kaffees, große Kaffees und heißes Teewasser macht. Bei vollendeter Dressur erwartet den Besucher ein Gesamtkunstwerk, in dem sich der Eifer des Volunteers, das Rauschen der Bohnen im Mahlwerk und der Duft edlen Kaffees glücklich verbinden. Ein paar von der Fa. Wong gespendete Stühle steigern das Vergnügen. Der Preisvergleich mit den übrigen Kunstwerken des Hauses stimmt optimistisch. Liebhaber der deutschen Sprache werden erfreut zur Kenntnis nehmen, daß die betreffende Ecke des Foyers den Namen Coffee Corner trägt. Wer jetzt noch erschöpft das Haus verläßt, dem können auch die Volunteers nicht helfen, die ihrerseits natürlich über jeden freiwilligen Helfer glücklich sind. [up]


Weh, Weh, Weh! Rücksitzgeneration, ade?

Wir haben Würzburgs sympathischen Globalsender Rücksitzgeneration bereits ausführlich in nummerzwei vorgestellt. Die Anhänger des nichtkommerziellen Internetradios müssen allerdings seit Jahresbeginn eine Zwangsdiät einhalten, denn vom Rücksitz dringt kein Geräusch mehr nach vorne, das Projekt liegt vorerst, der Jahreszeit entsprechend, auf Eis.

Wie es dazu kam? Bei einem kurzen Besuch in Michael Hanfs Kraftstrom-Studio Anfang Februar verwies dieser auf das banalste aller Probleme: den Zeitmangel. Man hätte in das über ein Jahr lang stetig gewachsene Projekt noch mehr Zeit investieren müssen, und das zu einem Zeitpunkt, als einige der Beteiligten, meistens Studenten des Fachbereichs Gestaltung der hiesigen FH, die Zielgerade des Studentendaseins, das Diplom, ansteuerten.

Auch Hanf selbst ist beruflich stark eingebunden, und so hat – wenigstens für dieses eine Mal – die Vernunft den Sieg davongetragen. Die Webseite bietet momentan nicht mehr als eine Durchhalteparole und einen Link zum E-Mail-Schreiben. Bleibt also nur die Hoffnung, daß sich der eine oder andere nach bestandenem Diplom nicht in der Endlos-Praktikumsschleife verheddert und der Vernunft baldmöglichst wieder eine Niederlage bereitet wird … [jk]

www.ruecksitzgeneration.de



Der Kunstpreis der Stadt Marktheidenfeld feiert in diesem Jahr ein kleines Jubiläum. Bereits zum 5. Mal wird der im zweijährigen Turnus ausgeschriebene Preis Ende des Jahres vergeben werden. Die Vorbereitungen dafür laufen schon.

Zur Einstimmung darauf sei dem interessierten Publikum die am 3. März beginnende Ausstellung der beiden Preisträger aus dem Jahr 2004, Hellmut Droll (Kunstpreis der Stadt) und Helmut Kunkel (Publikumspreis) empfohlen, die nun bis zum 2. April im Franck-Haus Marktheidenfeld, Untertorstraße 6, die Gelegenheit haben, tiefere und umfassendere Einblicke in ihr künstlerisches Schaffen zu geben.

Am Sonntag, den 12. März, gibt es dazu eine Führung mit Helmut Droll, am Sonntag, den 26. März, steht Helmut Kunkel Rede und Antwort. Beginn jeweils ab 15 Uhr. [as]


12. März, 17 Uhr – Wortraum Winterhausen

In vielen Rezensionen wird der in Berlin lebende Erzähler, Essayist und Reporter Hans Christoph Buch mit seinem berühmten polnischen Kollegen Ryszard Kapuscinski verglichen. Seine Reportagen aus Kriegs- und Krisengebieten (Algerien, Bosnien, Burundi, Kambodscha, Kosovo, Liberia, Osttimor, Sierra Leone, Sudan, Tschetschenien) sind in der Wochenzeitung ZEIT erschienen und liegen zusammengefaßt in mehreren Bänden im Eichborn-Verlag vor, u. a. in der Anderen Bibliothek (»Blut im Schuh«, »Wie Karl May einmal Adolf Hitler traf und andere wahre Geschichten« und »Tanzende Schatten«).

Letzterer sprengt unter dem Begriff »Romanessay« alle Genregrenzen: Der im Jahr 2004 erschienene Band ist Roman, Essay, Reportage, Auto- und Biographie. Seinen Blick auf die Welt im Allgemeinen, seine Überlegungen zu Haiti als Wiedergänger der historischen Illusionen der Metropolen und seine in der politischen Debatte nicht unumstrittenen Thesen stellt der 1944 in Wetzlar geborene Hans Christoph Buch in Petra Hochreins Wortraum zur Diskussion.(maz)

www.wortraum-winterhausen.de


14. März, 20 Uhr – Stadtbücherei, Würzburg

Wenn diese nummer in den Briefkästen der Abonnenten liegt, sind es noch 98 Tage bis zum Beginn der Fußball-WM. Während die echten Fußball-Fans das medial aufgeplusterte Spektakel schon jetzt fast satt haben, greift nun auch die Würzburger Kulturszene in den Kampf um den Ball ein:

Nach Georg Koenigers Solo »Linientreu« im Theater am Neunerplatz, einer kurzweiligen und, dank großer Vorarbeiter wie Ror Wolf und Fritz Eckenga, auch inhaltlich erträglichen Revue über das schwere Los eines Linienrichters in der Kreisliga 3, Würzburg Nord, kommt am 14. März mit Günther Koch eine lebende Fußball-Legende in die Stadtbücherei. Der bekennende Club-Fan ist der beliebteste Sportreporter in Deutschland, anerkannt und geschätzt von Fans, Experten, Trainern und Spielern. Er stellt sein Buch »Der Ball spricht« vor, in dem er seine unglaublichsten und eindrucksvollsten Fußballgeschichten und -anekdoten versammelt hat.

Noch mehr Literarisches und Musikalisches zum Thema Fußball hat die Werkstattbühne im Spielplan. Das »Kellerduell« bietet ein geistiges Aufwärmprogramm rund um den grünen Rasen: Beiträge arrivierter Literaten, Zitate bekannter Lederartisten (»Mailand oder Madrid – Hauptsache Italien«) und skurrile Anekdoten zur schönsten Nebensache der Welt. Abgerundet werden die beiden musikalischen Halbzeiten durch intelligentes musikalisches Kurzpaß-Spiel am 20. April, 4. und 11. Mai. [maz]

www.stadtbuecherei-wuerzburg.de | www.theater-am-neunerplatz.de | www.werkstattbuehne.com


15. März, 20 Uhr – AKW, Würzburg sowie
20. April, 20 Uhr – Club W 71, Weikersheim

Ludwig Lugmeier ist »Der Mann, der aus dem Fenster sprang«. Seine Raubüberfälle galten als die spektakulärsten der deutschen Nachkriegszeit. Knapp 30 Jahre nach dem legendären Fenstersprung während seines Prozesses in Frankfurt/M. erzählt Lugmeier jetzt seine Lebensgeschichte. »Der kann erzählen – vom Verbrechen und vom Gefühl, wie das ist, gejagt zu werden. Spätestens seit dem letzten Herbst ist Lugmeier ein wirklich großer Schriftsteller.« (Tilman Jens, ARD »Titel Thesen Temperamente«). [maz]

www.akw-info.de | www.clubw71.de


18. März, 20.15 Uhr – Bockshorn, Würzburg

Neuen Schwung in die bundesdeutsche Chanson-Szene bringt seit zehn Jahren das Duo Pigor & Eichhorn. Mehrere Preise, darunter der Deutsche Kleinkunstpreis, belohnten die Innovationsfreudigkeit und Virtuosität des Duos, das mit seinen Songs neue Maßstäbe gesetzt, gar neue Genres kreiert hat: »Salon Hip Hop«, lasziv-schwülstige Jazzballaden und Popklopper mit Ohrwurmqualitäten. Sie sind witzig, intelligent und bösartig und haben dabei einen Charme und eine Unverschämtheit, die einem den Atem verschlagen – also genau das Richtige für geschmackssichere nummer-Leser. [maz]

www.bockshorn.de


30. und 31. März, 20 Uhr – Theater Augenblick, Würzburg

Mit der Performance »Rahmen Los« präsentiert sich die gleichnamige Theatergruppe erstmals der Öffentlichkeit. Ohne Worte, in starken Bildern und durchdachten Choreographien bringen drei Darsteller den Kampf mit inneren und äußeren Rahmen zum Ausdruck. Dazu öffnet eine Musikerin mit live gespielten Takes eine weitere, akustische Dimension. Ein ungewöhnliches Stück Theater, das alle Sinne anspricht. [maz]

www.theater-augenblick.de


31. März, ab 21 Uhr – AKW, Würzburg

Zeitreise zurück in die frühen 80er oder zweite Wiederkehr der NDW (Neuen Deutschen Welle)? Der Presse-Hype – vom Rolling Stone über die taz bis zur ZEIT – um die Release-Tour der neuen CD ist jedenfalls unübersehbar. Am frühen Morgen des 1. April wird man mehr wissen: Wenn Sänger Peter Hein und die Fehlfarben das AKW gerockt, die Zündfunk-DJs Roderich Fabian und Sabine Gietzelt ihre Tonträger wieder eingepackt haben und sich einstige Punks und die »konzentrierten Tänzer« von heute bei der After-Show-Party die leer getanzten Köpfe wieder heiß reden.

Wer da nicht dabei sein will oder kann, dem sei hier wenigstens nochmals Jürgen Teipels »Verschwende deine Jugend« dringend zur Lektüre empfohlen! [maz]

www.akw-info.de