Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Weimar
< zur nummer 14

Foto: Achim Schollenberger

Man muß sich selbst zurücknehmen können

Die Fotografin Barbara Klemm erzählt

von Achim Schollenberger

Normalerweise stehen solche Menschen nicht im Mittelpunkt, obwohl sie im Zentrum des Geschehens sind. Der Fokus ist auf andere gerichtet und die Linse ihrer Kamera auch. Barbara Klemm wirkt natürlich, sympathisch, ohne Starallüren, dabei ist sie mittlerweile durch ihre Arbeit selbst zu einer der berühmtesten deutschen Fotografinnen geworden.

Man könnte schon neidisch werden, denn Barbara Klemm, 1939 in Münster geboren, hat unglaublich viele Prominente, Politiker wie Künstler jeglicher Couleur, kennengelernt und abgelichtet. Fotoreportagen für die Frankfurter Allgemeine Zeitung führten sie abseits der vielbegangenen Wege in fremde Länder und abgelegene Winkel der Erde. Mittlerweile agile 66 Jahre alt und eigentlich im Ruhestand, werden aber die Aufträge und Projekte nicht weniger. Im Gegenteil.

Dicht gedrängt saßen und standen die Zuhörer in dem schmucklosen Raum im Fachbereich Gestaltung der Fachhochschule Würzburg-Schweinfurt in der Reurergasse 6, als die Fotografin – und man muß eigentlich auch sagen: Fotokünstlerin – per Dia die gebannten Zuschauer und Zuhörer mit auf eine kleine Zeitreise, auch in die Geschichte der Bundesrepublik, mitnahm.

Sie habe Glück gehabt, in einem Künstlerhaushalt aufzuwachsen. Durch ihren Vater, den Maler Fritz Klemm, habe sie das Sehen gelernt. Was freilich zunächst nicht von Bedeutung war, denn zunächst galt es, das Handwerk des Fotografen zu erlernen. Ganz traditionell als Lehrling in Karlsruhe.

Von dort ging es nach Frankfurt zur FAZ in die Klischeeherstellung. Erst fünf Jahre später durfte sie zum erstenmal mit der Kamera offiziell auf Achse. Es war die Zeit der »Teach-Ins«, der Demonstrationen, die Proteste der Studentenbewegung. 1970 bekam sie eine feste Anstellung als Redaktionsfotografin der FAZ mit den Schwerpunkten Politik und Feuilleton.

Große Ereignisse hat sie mit der Kamera begleitet, wie etwa den ersten Besuch Leonid Breschnews in der Bundesrepublik, bei dem sie sich sogar einschmuggeln mußte, den ersten Papstbesuch von Johannes Paul II. in Polen, die deutschen Politiker im Bundestag und auf Parteitagen.

»Man darf nie zu früh aufgeben, man muß die Sache sich entwickeln lassen«. Der entscheidende Moment für das Bild kommt manchmal unverhofft. Nie hat Barbara Klemm bei ihren Terminen einen Blitz dabei. Das vorhandenen Licht muß ausreichen. Daß dadurch auch fatale Situationen entstehen, weiß jeder Fotograf nur zu gut. Manchmal kamen dann zufällig Kollegen vom Fernsehen mit Licht zu Hilfe wie bei der Nachtaufnahme 1983, als in Mutlangen die Demonstranten, darunter Heinrich Böll und Oskar Lafontaine, morgens um fünf gegen Mittelstreckenraketen demonstrierten.

Bescheiden wirkt die Fotografin bei ihrem Vortrag und könnte doch so mit den Pfunden wuchern. »Man muß sich selbst zurücknehmen können, um gut zu arbeiten«, lautet treffend ihr Credo. Gerade diese Einstellung hat ihr wohl auch den Zugang zu »schwierigen« und fotoscheuen Künstlern wie Peter Handke erleichtert. Dazu, sagt sie, muß man sich intensiv mit deren Werk auseinandersetzen, sich wirklich vorbereiten.

Ohne Kamera geht Barbara Klemm nie aus dem Haus. «Ich hätte immer das Gefühl, ich könnte etwas verpassen«. Und als Beweis zeigt sie die Aufnahme von Andy Warhol vor einem Gemälde (»Goethe in der Campagne« von Heinrich W. Tischbein) im Frankfurter Städel-Museum. Sie war dort nur zufällig mit ihrem Mann zu Besuch, der berühmte Pop-Art Künstler ebenso. Passend dazu gibt sie den Anwesenden den Rat: Man solle viel in Museen gehen, denn von den Malern könne man viel lernen. Die seien die großen Künstler, die ihre Bilder komponieren könnten. Sie, als Fotografin müsse dagegen mit dem auskommen, was sie vorfindet. Aber das konnte und kann Barbara Klemm perfekt. Und eine große Fotokünstlerin ist sie allemal. ¶


Barbara Klemm war am 10. Januar zu Gast am Fachbereich Gestaltung der FH Würzburg-Schweinfurt im Rahmen der Reihe »Dienstagsgespräche«.