Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Weimar
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Foto: Achim Schollenberger

»Das Bauhaus und die Esoterik« im Kulturspeicher

Wie Feuer und Wasser

von Angelika Summa

Bauhaus und Esoterik sollen etwas gemein haben? Ästhetik für alle propagieren und gleichzeitig geheimbündlerischen Heilslehren frönen, wie paßt das zusammen? Wie Feuer und Wasser, meinte auch die Direktorin des Museums im Kulturspeicher Würzburg, Marlene Lauter, anläßlich der Pressevorstellung der neuen Ausstellung, die eben unter dem Titel »Das Bauhaus und die Esoterik« die zwei Extrempole zusammenklammert.

Man wird auch aufgrund dieser Schau, nach dem Gustav-Lübcke-Museum in Hamm nun auch bis zum 2. April 2006 in Würzburg gezeigt, die Geschichte des Bauhauses (1919–33), der formvollendeten Ideenschmiede der modernen Kunst schlechthin mit ihrer Betonung der Funktionalität, Klarheit und Sachlichkeit, nicht neu schreiben müssen. Aber ein paar neue, bisher unbekannte und ungeahnte Facetten kommen dazu. Zumindest in der Gründungsphase des Bauhauses, von 1919 bis zum Weggang Johannes Ittens 1923, kann der kurzzeitige, aber von breitem Konsens getragene Einfluß von esoterischen und okkultistischen Heilslehren vermerkt werden. Das belegen neu zugängliche Materialien aus Erbnachlässen, die kunsthistorisch gesichtet und bearbeitet wurden. Im Zentrum der Betrachtung stehen die Bauhaus-Künstler Johannes Itten, Wassily Kandinsky und Paul Klee, in neun Abteilungen werden rund 200 Werke von renommierten Leihgebern wie dem Bauhaus-Archiv in Berlin zum Teil erstmalig gezeigt.

Da wäre gleich am Eingang die Rekonstruktion des verschollenen imposanten »Turm des Feuers« von Johannes Itten, ein in vielen Entwurfsskizzen und Konstruktionszeichnungen vorbereiteter, dynamisch hochgedrehter und sich verjüngender Turm aus gewölbten, farbigen Glaselementen. In der Gedankenwelt der Bauhaus-Künstler sollten alle Künste unter der Vorrangstellung der Architektur vereint werden; nicht von ungefähr schmückte die »Kathedrale« von Lyonel Feininger das Manifest des Staatlichen Bauhauses von 1919. Bei Itten wird die Architektur des Turms mit einer Kosmologie von kristallinen Erscheinungen über Pflanze, Tier und Mensch bis hin zur Sonne symbolisch aufgeladen, sie wird zur »Gedankenarchitektur«, zu einem vom Materiellen gelösten Kunstwerk. Unter Ittens Einfluß entstanden die »Lichttempel« und kosmischen Stelen-Visionen von Bauhaus-Schülern wie Otto Lindig und Theobald Emil Müller-Hummel.

Doch Johannes Itten stand mit seinen weltanschaulichen Reflexionen und Interessen an esoterischen Bewegungen wie der »Mazdaznan-Lehre«, einer Wiedergeburtsphilosophie, die auf bewußter Atmung und Ernährung basiert, nicht allein. Beim Gang durch die an Gemälden, Plastiken, Zeichnungen und vielen künstlerischen Entwürfen reiche Ausstellung wird deutlich, daß auch andere Künstler des Bauhauses wie Walter Gropius, Georg Muche, Gunta Stölzl, Lothar Schreyer und andere empfänglich waren für esoterisch-weltanschauliche Strömungen der Zeit, daß man sich mit Anthroposophie und Astrologie auseinandersetzte und die Kunst in kultischen Zusammenhang stellte oder mit der Realität des Todes verband.

Das spannendste und ungewöhnlichste Stück der Ausstellung ist der leuchtend farbige Originalentwurf für das »Totenhaus der Frau«, einem Sarg, von Lothar Schreyer, entdeckt in dessen Nachlaß in Berlin. Die Sargdeckelfläche füllt eine schematische, weibliche Gestalt, die streng symmetrisch und trapezförmig aufgebaut ist. Begleitende Skizzen geben Aufschluß über Malereien und Konstruktion über den zweiten Schrein, das »Totenhaus des Mannes«, das mitten im Weimarer Atelierraum Schreyers stand.

Für Wassily Kandinsky waren die Theorien des Anthroposophen Rudolf Steiner wichtig. Die Vorstellung von der Aura eines Menschen, die als feinstoffliche Struktur darstellbar ist, die bildliche Wiedergabe von Gedanken, Gefühlen und Tönen beschäftigen den Künstler. Er untermauerte seine Bildvorstellungen ab 1911 mit esoterischer Literatur. In Kandinskys kosmischen Visionen umschweben sich Farbflecken, Linien und Kreise als Grundbausteine abstrakter Kunst, entsprechend der »Kompositionskraft der Natur« (Steiner).

Auch Paul Klee setzte sich mit esoterischen Theorien auseinander, aber vor allem interessierte ihn die Mathematik und mit ihr die Möglichkeit, die Welt und ihre Gesetzmäßigkeiten zu ergründen und das Bild von der Welt nach Zahlensystemen, Maßen und Regeln zu gestalten. Klees strengen Bleistift- oder Federzeichnungen liegt oftmals ein abstraktes Proportionssystem zugrunde. Sein kritischer Geist konnte aber gewissen esoterischen Eiferern nur noch ironisch begegnen. Als Mazdaznan-Jünger ihn unbedingt zu einer am Bauhaus propagierten Diät überreden wollten, entgegnete er ihnen barsch, daß er gar nicht daran denke, »auf dem Weg durch den gereinigten Darm in den Himmel zu kommen«. ¶


Das Bauhaus und die Esoterik. Ausstellung im Museum im Kulturspeicher, Würzburg.

www.kulturspeicher.de