Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Weimar
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Foto: Achim Schollenberger

Der Tod schlägt den Takt des Lebens

Mit Jürgen Lenssen durch die Ausstellung von Willi Röscheisen

von Achim Schollenberger

Der Aschermittwoch ist schon wieder vorbei; traditionell werden an diesem Tag auch die Künstler in Würzburg vom Bischof mit einem Aschekreuz auf der Stirn versehen und so an ihre Vergänglichkeit erinnert. »Gedenke Mensch, daß du aus Staub bist, und zu Staub wirst du zurückkehren«, mahnende Worte werden ihm dabei mitgegeben. Auch Willi Röscheisen, der als Künstler eigentlich nur unter seinem Nachnamen präsent ist, hat sich mit dem Aschekreuz auf der Stirn gemalt. 1924 bereits hat er die Gouache gefertigt, und sie zeigt im kleinen Format bereits das große Suchen in seiner Kunst. Es ist die Auseinandersetzung mit einer unbequemen Frage, einer, die der Mensch normalerweise gerne in weite Ferne rückt. »Der Tod als Allegorem« faßt das Werk des 1972 verstorbenen Malers in einer lohnenden Ausstellung im Museum am Dom in Würzburg zusammen.

Was ist ein »Allegorem«? Die Wortschöpfung, die es bis zu dieser Ausstellung nicht gab, ist eine Kreation von Professor Dr. Friedrich Piel, dem emeritierten Ordinarius für Kunstgeschichte der Universität Salzburg, dazu Nachlaßverwalter und Erbe aller Werke seines Onkels Willi. Eingefallen ist sie ihm beim Mittagessen mit Domkapitular Dr. Jürgen Lenssen, erläuterte dieser während einer Führung vor den Werken auf den beiden unteren Etagen des Museums am Dom: Beide saßen bei einem mittäglichen Gedankenaustausch und diskutierten über das inhaltliche Konzept der Ausstellung. »Was das Theorem für die Theorie ist, könnte doch ein »?« für die Allegorie sein.« Ja, was? Man fand, besser gesagt: man erfand das Allegorem.

Was ist nun darunter genauer zu verstehen? In einem Allegorem, so steht es auf einer Schriftfahne im Museum zu lesen, verdichten sich Erfahrungen und spirituelle Perspektiven zum Motiv-Repertoire. Es soll im Prinzip ein Leitfaden sein zur Allegorie, einer rational faßbaren Darstellung eines abstrakten Begriffes in einem Bild. (In der bildenden Kunst und Literatur geschieht dies oft durch Personifikation.) Das klingt ziemlich wissenschaftlich – und ist, genau betrachtet, auch nicht zwingend notwendig zum Verständnis der Bilder Röscheisens. Der Tod ist nun mal ein Thema, das jeder begreifen kann, wenn er will. Früher oder später stellt sich ihm ja selbst die Frage …

Willi Röscheisen hat sich in seiner künstlerischen Suche damit auseinandergesetzt. Geboren 1906 in Dortmund, begann er zunächst in jungen Jahren eine Architektenlehre, dann kam das Studium der Malerei an der örtlichen Kunstgewerbeschule. Stilistisch orientierte er sich am deutschen Expressionismus. Im April 1945 wurden seine Bilder nahezu komplett bei einem Bombenangriff vernichtet. Nur ein paar seiner Grafiken sind aus dieser Zeit erhalten geblieben. Wohl auch die Erfahrungen als Soldat des 2. Weltkriegs in Polen und Frankreich hatten ihn 1947 zum Anachoreten, zum Einsiedler, werden lassen. Existenzielle, soziale und metaphysische Erfahrungen begannen mit einzufließen in eine 25 Jahre dauernde Auseinandersetzung mit christlichen Themen, so Lenssen.

Abgeschottet ging der Künstler zu Werke, oft sperrig, nie dekorativ gefällig, machte er sich auf die Suche nach dem »verlorenen Bild«, seinem Versuch, das aufzuspüren, was uns auf der letzten Schwelle einmal erwarten könnte. Verdrängung einer schlichten Wahrheit scheint ein menschliches Merkmal zu sein. Auch in den Bildern Röscheisens ist diese versteckte Wesensart aufzuspüren, gerade dagegen malte er an. Zerkratzt mit dem Pinselrücken, ausgeschabt, ausgelöscht ist das Antlitz des »Trommler Tod«. Morbid wirkt das mit Ölfarbe und Masonit geschaffene Gemälde. Fast, so scheint es, mag der Künstler selbst nicht dem Tod ins Antlitz blicken. In weiteren Bildern ist dies ebenso auffällig. Versteckt hinter Masken, hat der Künstler oft den Unausweichlichen und das Unausweichliche verkleidet. Die Narretei des Menschen führt in den Tod, lautet die Botschaft; makaber grinsend fordert der grausige Gaukler seinen Tribut.

Doch manchmal treibt der Maler auch seinen Spaß mit dem »Tödlein mit Schalmei«. Ein anderes Mal begleitet er mit geradezu ironischem Blick den reitenden Papst. Christus ist der Protagonist in der Zirkusmanege, auf der bevölkerten Weltenbühne geht der große Narrentanz voran und führt nicht schnurstracks, aber unveränderlich auf das Letzte hin. Der Tod ist es, der den Takt des Lebens schlägt, ihm kann man nicht entrinnen. In Röscheisens Bildern werden die menschliche Existenz und Identität des Einzelnen mit diesem bestimmenden Rhythmus verknüpft. Das jenseits der Erfahrung des Gegenständlichen Liegende, das Abstrakte, wie Glaube und Religiosität, wurden zum künstlerischen Leitmotiv. Doch der allumfassende Tod bleibt dabei die bestimmende, nicht faßbare Größe, einen jeden Menschen betreffend. Zeitlos, unveränderbar auch über das Ende des Künstlers hinaus. ¶


Die Ausstellung im Museum am Dom dauert noch bis zum 2. April
Öffnungszeiten: Dienstag bis Sonntag mit Feiertag 10 bis 17 Uhr

www.museum-am-dom.de