Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Berlin
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Short Cuts & Kulturnotizen

Unlängst – Gerade soeben – Demnächst!
Was nicht dem Vergessen anheim fallen sollte – eine ganz subjektive Auswahl der Redaktion, nicht minder subjektiv kommentiert.


12. April, 22 Uhr – Chambinzky

An den frühen Miles Davis erinnerte die leider zu wenig wahrgenommene Reihe jazz-live im Würzburger Abendlokal Chambinzky. Faszinierend, wie sich der Berliner Trompeter Martin Auer und der Nürnberger Tenorsaxophonist Lutz Häfner gegenseitig die Bälle zubliesen und bis weit nach Mitternacht jene Atmosphäre ins Chambinzky zauberten, die weit über gewohnte Session-Formate hinausragt. Nächster jazz-live Termin: 10. Mai, Andreas Kissenbeck feat. Special guest. [maz]

www.chambinzky.com


14. April, 19.30 Uhr – Burkarder Bastion

Ein ausverkauftes Zelt und ein begeistertes Publikum bescherte der Schriftsteller Wladimir Kaminer den engagierten Veranstaltern des 1. Zeltival auf der Bastion. Kaminers genauer, ungeschönter (Außen-) Blick auf die Absurditäten des deutschen Alltags, die uns »Eingeborenen« schon lange nicht mehr bewußt sind, produzierte in Kombination mit seinem trockenen Humor kleine Perlen literarischer Unterhaltung, die auch vor großem Publikum Bestand haben. Ein gelungener Programmpunkt eines überaus durchdachten und fein aufeinander abgestimmten Vier-Tage-Festivals, dessen Erfolg das veranstaltende Cafe-Cairo-Team zur Neuauflage im nächsten Jahr ermutigen sollte. [maz]

www.cairo.wue.de | www.zeltival-wuerzburg.de


22. April, 20.15 Uhr – Bockshorn

Der politische Konflikt blieb genauso aus wie das große Publikum bei der Lesung des Dramatikers Rolf Hochhuth. Auch als öffentlicher Leser seiner eigenen Texte blieb der Autor des schon Legende gewordenen Theaterstückes »Der Stellvertreter« weit hinter den Erwartungen zurück: unsauber und nuschelnd in der Artikulation, gleichförmig in Stimmlage und Sprechtempo, den Sprachgestus auch bei verschiedenen Rollen nicht wechselnd, präsentierte er eine Szene aus seinem jüngsten Stück »McKinsey kommt«: Den Nachweis, daß dieses wirtschaftskritische Stück wirklich auf die Bühne muß, konnte er damit aber genau so wenig liefern, wie die politische Position verdeutlichen, von der aus er das Treiben der Unternehmensberatungsfirmen kritisiert. So war der Abend leider nicht mehr als der Besuch eines großen und verdienten Moralisten und Dokumentaristen, dem der Bezug zu Wirklichkeit des alltäglichen Lebens langsam zu entgleiten droht. [maz]

www.bockshorn.de


23. April – Würzburg liest Lieblingsbücher

Vorzeiten hat man seine Erfahrungen erzählend weitergegeben, hat sie angereichert mit den von andern gehörten und verarbeiteten Erfahrungen. Dazu hat es eines Raumes bedurft, in dem andere zugehört haben. Längst schon haben die modernen Medien ihn zur zweidimensionalen Mattscheibe schrumpfen und die Erzählung und das Zuhören verdampfen lassen.
Wenn’s hoch kommt, haben Mütter und Väter diesen Raum in unserer Kindheit wenigstens beim Vorlesen vor dem Einschlafen umhegt und gepflegt. Bei nicht wenigen, denen dieses Glück widerfahren ist, dürften aus dieser Zeit die frühen Lieblingbücher sich ins Gedächtnis eingegraben haben, die klassischen Romane, die zu Jugendbüchern geworden sind und von denen manche bis fast zur Unkenntlichkeit sogar von einem andern Klassiker, Erich Kästner, eingeschrumpft wurden – ad usum delphini, hieß das früher und überwältigte sogar die Bibel. Dieses Vorlesen, diesen Zuhören wiederzubeleben, ist sicher eine schöne Idee. Und doch stehen ihrer Verwirklichung nicht wenige Hindernisse entgegen, wie man der diesjährigen Wiederholung der Aktion ablesen kann.
Das beginnt bei der Publizität, mit der die Orte und der Zeitplan bekanntgemacht werden. Bei sovielen Vorlesern, wie sich dieses Jahr wieder engagiert hatten, war es schwierig, alle Angebote zur Kenntnis zu nehmen. Nur wer sich übers Internet kundig gemacht hatte, war wirklich im Bild. Dabei hat die Presse durchaus wohlwollend im Vorfeld informiert.
Der enge Zeitplan hatte Vor- und Nachteile: Nicht alle Vorleser haben sich durch die zeitliche Begrenzung in ihrem Lesedrang einschränken lassen, die andern in Verzug gebracht und auf Kohlen sitzend warten lassen. Und ohnedies sind 20 Minuten einfach zu wenig, umso mehr, als ja nicht wenige Ausschnitte aus Romanen vorgelesen haben, und deren Tendenz zum Uferlosen sind sie denn auch erlegen und konnten kein Ende finden. Im übrigen wurde bei der Reihenfolge der Vorleser keine ordnende Hand bemüht, so daß die unterschiedlichste Literatur weitgehend wahllos aufeinander folgte.
Für ein nächstes Mal, das sehr zu wünschen ist, sollten die Veranstalter bei der Planung eingreifen und ordnen – etwa Leseorte mit mehr literarischen Texten, solche für jugendliche Vorleser mit entsprechenden Texten, vielleicht auch welche, die stärker zugeschnitten sind auf das Ambiente, in dem gelesen wird. Und sicher ist es sehr zu überlegen, ob man wirklich Selbstgestricktes zulassen sollte – sind diese Vorleser nicht doch besser bei einem Poetry Slam aufgehoben? Lieblingsbücher können sie ja wohl nicht vorlesen.
Man kann den Veranstaltern nur wünschen, daß sie für das nächste Mal diese Schwierigkeiten anpacken, aber auch intern sich überlegen, ob man im Vorfeld auf die Vorleser nicht doch stärker Einfluß nehmen und sie beraten sollte, auch über die Länge der einzelnen Lesung. Denn Rat kann niemals schaden, gerade wenn die Vorleser etwas von ihren »Lieben« öffentlich machen und dafür werben wollen, andererseits zumindest die Buchhandlungen potentielle Käufer animieren möchten. [bk]

Siehe auch www.wuerzburg-liest-lieblingsbuecher.de


24. April, 20.15 Uhr – Bockshorn

Ganz auf der Höhe der Zeit zeigte sich der Kabarettist Georg Schramm. In nie gesehener Radikalität hat er seine Bühnenfiguren, zwischen denen er nach wie vor in höchster schauspielerischer Perfektion wechselt, weiterentwickelt: Aus deren jeweiligen Alltagserfahrungen blickt er auf eine immer irrationalere Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft, von Sozial- und Gesundheitspolitik, von Innen- und Außenpolitik bzw. deren Familien. Besonders dem kriegsversehrten Rentner Dombrowski läßt er in seinem Furor gegen die Machenschaften der Pharma- und Gesundheitsindustrie nahezu hemmungslos freien Lauf. Da wartet man förmlich auf den Augenblick, an dem diese Bühnenfigur den Programmtitel »Thomas Bernhard hätte geschossen« auf sich bezieht und in die Tat umsetzt. Ein Kabarett-Programm der absoluten Extraklasse, das selbst mit dem Wort »genial« nur unzureichend bewertet wird. [maz]

www.bockshorn.de


27. April, 21 Uhr – Omnibus

Keine Spur von Konflikten zwischen den Generationen – nicht auf der Bühne, und schon gar nicht in der Jazz-Szene. Im Gegenteil, was der Trompeter und Flügelhornist Ack van Royen, der in diesem Jahr seinen 75. Geburtstag feiert und seit Jahren zu den ganz Großen zählt, gemeinsam mit dem Quartett um den Nürnberger Posaunisten Jürgen Neudert zu Gehör brachte, war Ausdruck unerschütterlicher Gemeinsamkeiten. Feinsinnig und nicht ohne Selbstironie, äußerst bescheiden im Auftritt und doch in höchster Intensität führte van Royen durch eine spannungsvolle Mischung aus Standards und Eigenkompositionen und bot mit seinen jungen Bühnen-Partnern eine rundum gelungene Alternative zum drögen Rasen-Schach zwischen Chelsea und Liverpool. Dabei bewiesen Neuderts Band-Kollegen Dejan Terzic (dr), Markus Schieferdecker (b) und Olaf Polziehn (p), daß sie weit mehr als eine famose Rhythmus-Gruppe bilden. Sie hatten ganz wesentlichen Anteil an einem höchst kurzweiligen Jazzabend, dessen zahlreiches Publikum einmal mehr die Mär vom Jazz-feindlichen Würzburg widerlegte.
Und das noch vor dem für den 1. Mai angekündigten zweiten Würzburger Auftritt von Larry Coryell binnen Jahresfrist, diesmal im Luisengarten (vgl. die Ausführliche Würdigung in nummernull). [maz]

www.omnibus-wuerzburg.de


28. April, 20.30 Uhr – Galerie Milchhof

Ihren Ruf als innovative Zelle zeitgenössischer Kulturformen bewies einmal mehr die Galerie Milchhof. Die Präsentation von Andy Mellwigs »Barock-Maschine« geriet zur faszinierenden Neu-Interpretation barocker Kunstmuster und deren Transformation in die elektronisch erzeugten Musik- und Bildwelten des 21. Jahrhunderts, die gerade in der Barockstadt Würzburg einen besonderen Reiz entfaltet. Eine ausführliche Würdigung des Projekts folgt in einer der nächsten nummern. [maz]

www.milchhof.com


19. April, 19,30 – Staatlicher Hofkeller

»Und neues Leben blüht aus …« nein, nicht aus den Ruinen, wie der Dichter meint, sondern aus den Kellern, genauer, dem Staatlichen Hofkeller. Der dortige Werbemanager, Jochen Gummersbach, greift schöne Ideen auf und führt sie zum Erfolg. Kommen im Herbst 2005 schon die 3. Filmnächte zustande – Arbeitstitel: »Blondes Gift« –, fiel im April das Interesse unserer Zeitschrift zusammen mit dem des Hofkellers und des BR. Heraus brachte Gummersbach eine lockere Gesprächsrunde mit den Würzburger Krimi-Schreibern.
Das Interesse an dem Quartett war so groß, daß kurz nach den ersten Hinweisen die Karten ausverkauft waren. Entsprechend angeregt war die Stimmung, schon bevor Eberhard Schellenberger vom BR seine Gäste auf dem Podium willkommen hieß: Anne Hassel, Roman Rausch, Günter Huth und Rainer Greubel.
Die Autoren durften sich mit Kostproben aus ihren Romanen vorstellen, der Moderator bot ihnen Gelegenheit, Auskunft zu geben über ihre Herkunft, ihre Arbeitsverfahren, ihre Ziele, Gemeinsames und Trennendes, sowie die Schwierigkeiten, einen Publikationsort zu finden. All das zeigte noch die Mühen, eine erste Veranstaltung dieser Art dem Publikum nahezubringen. Schade, daß die Diskussion nicht für die Anwesenden geöffnet wurde – die Fragen nach der Qualität der Erfindung und des Schreibstils wären sonst sicher sehr viel entschiedener und lebhafter diskutiert worden. So war das Prickelndste wohl der köstliche animierende Wein – und die Aussicht darauf, daß die AutorInnen das nächste Mal, das es hoffentlich bald geben wird, stärker ge- und herausgefordert werden. Wir können die Veranstalter nur bestärken, eine Neuauflage nicht nur wieder mit köstlichem Wein, sondern auch einer kräftigen Prise Pfeffer zu wagen. [bk]

www.hofkeller.de



Am Montag, den 9. Mai um 19 Uhr findet im Cinemaxx in Würzburg die Uraufführung des studentischen Kurzfilms Bestellung 0-0-4-9 statt. Das Programm sieht neben dem 25minütigen Film ein Making-Of vor.
Die 16mm-Produktion, die von Studenten der Fachrichtungen Kommunikationsdesign und Medienmanagement an der FH Würzburg zu Beginn des Jahres gedreht wurde, erzählt von einer düsteren Zukunftsutopie, in der historische Persönlichkeiten geklont werden. Der Eintritt kostet 3 Euro. Karten können unter 01 76 / 24 12 55 01 oder per E-Mail unter karten@moviebrats.com vorbestellt werden.

Weitere Infosunter www.0049.moviebrats.com


Rund 50 Künstler in ebenso vielen Galerien, Schaufenstern, Läden, Innenhöfen und leerstehenden Gebäuden präsentieren sich am 28. Mai von 12 bis 20 Uhr im Galerienviertel um das Museum Georg Schäfer beim dritten Kunst-Karrée des KulturPackt e. V. in Schweinfurt. Der Kunst- und Galerien-Tag beginnt mit der Versteigerung des Kunstvereins um 11.00 Uhr, die erstmalig auf der Hauptbühne hinter dem Rathaus stattfindet. Weitere Informationen unter 0 97 21 / 80 35 77, kulturpackt@gmx.de und www.kunstkarree.de

www.kunstkarree.de


Um an den 300. Geburtstag von Johann Joachim Kaendler, dem Begründer der europäischen Porzellanplastik zu erinnern, rief die Porzellan-Manufaktur Meißen weltweit Künstler zu einem Kunstwettbewerb auf. Das Thema Moderne Tierplastik sollte die jahrhundertelange Tradition der Tierplastik bei Meißen neu beleben; das Augenmerk der Veranstalter richtete sich dabei auf solche Tierdarstellungen, die in Porzellan umsetzbar sind und somit in das Meißen-Sortiment aufgenommen werden können.
Unter den Bewerbern war die Würzburger Künstlerin Angelica Saalmüller alias CaSal, die im Herbst vergangenen Jahres in der Galerie im Malerfürstentum Wredanien mit einer riesigen, eisernen Arche Noah voller Tierskulpturen Aufsehen erregt hatte. Sie hat inzwischen alle drei Stufen des Wettbewerbs bis in die Endrunde gemeistert, was sie natürlich »tierisch« freut. Aus weit über 100 Bewerbern sind nur fünf Künstler ausgewählt worden, aus deren Mitte wiederum die drei Preisträger ermittelt werden. Bis 31. Mai muß Angelica Saalmüller ihre Tiermodelle – ein Uhu, zwei Bären, eine Pinguingruppe und drei Nilpferde, alle nicht größer als 35 cm - aus »lederhartem«, ungebranntem Ton, in Meißen abliefern, was konsquentes Befeuchten der Skulpturen abverlangt.
Die nummer-Redaktion drückt für die letzte Wettbewerbshürde die Daumen und stellt schon mal den Sekt kalt.

www.meissen.de


Unter dem Titel Der Himmel auf Erden? – Verkündigungen in der zeitgenössischen Kunst findet in Brandenburg eine Wanderausstellung an vier verschiedenen Orten (Stadt Brandenburg, Beeskow, Frankfurt/Oder und Potsdam) statt. Es werden Arbeiten der zeitgenössischen Bildenden Kunst zum Thema der »Verkündigung an Maria« mit allen Kunstgattungen wie Malerei, Fotografie, Grafik, Bildhauerei, Objektkunst, Installation und Video von mehr als 50 KünstlerInnen aus ganz Deutschland gezeigt. Mit von der Partie sind Margot Garutti und Willi Grimm (beide Kleinrinderfeld), Irmtraud Klug-Berninger (Obernburg) und Angelika Summa (Würzburg).
Die Eröffnung findet am 06. Mai 2005, um 17.30 Uhr in der Kunsthalle Brennabor statt. Kuratorin der Ausstellung ist die Berliner Kunsthistorikern Dr. Sabine Hannesen.
Ausstellungsdauer: 06. Mai bis 16. Oktober 2005

Mehr Informationen


Der Veitshöchheimer Peter Stein zeigt Pastelle, Zeichnungen und Druckgraphik in der Galerie Helmut Doll, Euskirchen/ Flamersheim; bis 26. Juni 2005.

www.peterstein.info


Andi Schmitt, Randersacker, stellt seine Landschaften in der Münchner Galerie Slapansky/Slapansky, Aktuelle Kunst, noch bis 19. Juni 2005 aus.

www.andischmitt.de


Weltlochkameratag

Was gibt es doch alles für Veranstaltungen, von denen man nur durch Zufall erfährt. Bereits zum 5. Mal jährte sich der Weltlochkameratag. Am 24. April 2005 hatten sich wieder Fotografen aus 43 Ländern aufgemacht, um ihre spezielle Sicht der Welt in ihre Schachtelkameras einzufangen. Die über 1000 Aufnahmen können betrachtet werden unter www.pinholeday.org

Aus diesem Anlaß erinnern wir an den Würzburger Künstler Charly Hornung (1953-2003), der sich zeitlebens mit dieser Art der Fotografie auseinandergesetzt hat.
Das Bild stammt aus der Serie »Fremdes Land«. Lochkameraaufnahme mit umgebauter Polaroidkassette. Indonesien 1997