Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Berlin
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Foto: Akimo

Der Mann mit den Steinen

Der Mann paßt gut ins Bild. Hingekauert, fast verschmolzen mit den Steinen, die er aufgeschichtet hat. Jeden Tag baut Peter Baumann an seinem bizarren Werk. Was ist es? Er weiß es nicht. Ein Steingarten, eine kleine Tempelanlage, ein Kunstwerk? Vielleicht. Was er seit gut einem Jahr in den Hügeln oberhalb Theilheims zusammenfügt, nimmt zwar Gestalt an, läßt sich aber nicht klassifizieren. Das muß es auch nicht, wenn es nach dem Baumeister geht. Die Steine suchen sich selbst ihren Platz nebeneinander, geben den Rhythmus vor, sagt der Künstler, der jeden Tag ein paar gefundene Brocken mit in die Hügel bringt. Manchmal sind auch Steingeschenke von Freunden dabei. Aus allen Erdteilen sind mittlerweile Exemplare darunter, und Baumann weiß ganz genau, wo er sie eingebaut hat. Wind und Wetter haben sie bislang getrotzt, alles steht noch so, wie er es aufgetürmt hat. Wie kommt man dazu, Steine in die Landschaft zu tragen und dort einfach draufloszubauen?
Peter Baumann stand an der Grenze zwischen Leben und Tod. Vor drei Jahren raubte ihm eine schwere Krankheit alle Motivation und kreative Energie. »Das war hart, die Behandlung und die Schmerzen haben mich fertiggemacht«, erzählt der 52jährige. Er igelte sich ein, ohne Perspektive, deprimiert. Welchen Sinn hatte es noch, Neues zu entwickeln? Wozu? Seine Arbeit und sein Beruf litten stark darunter. Schau mal, mit dem ist auch nichts mehr los, mag sich mancher gedacht haben. Das spürte auch Peter Baumann.
Vor einem Jahr hatte er dann das Schlüsselerlebnis. Geh einfach raus, sagte er sich, und such dir einen Stein. Er begann sie zu sammeln. Tag für Tag, bei seinen Reisen, seinen alltäglichen Gängen.
Kaum hatte er bis dahin an das kleine Grundstück im Naturschutzgebiet von Theilheim gedacht, welches er vor zehn Jahren gekauft hatte.
Damals, als er gut verdiente, wollte er etwas Bodenständiges haben und sein Geld nicht auf die Bank legen. Jetzt ist dieser Platz sein Refugium geworden, »die Haltestelle für meinen rasenden Intercity durchs Leben«, wie er es beschreibt. Mittlerweile haben sich dort kleine Laufwege herausgeschält, Türme sind gewachsen. Drei davon hat er für seine Kinder gebaut.
Aufhören mit seiner seltsamen Beschäftigung geht sowieso nicht mehr. »Meine Sanduhr läuft mittlerweile etwas anders. Es waren im vergangenen Jahr keine drei Tage, an denen ich nicht hier oben war. Der Ort hat für mich eine Kontinuität, eine Energie, die mir Kraft gibt.« Hier hat Baumann ins Leben zurückgefunden, hier oben »ist« er einfach. Fast wird er selbst zum Stein, oft meditierend, nachdenkend.
Auch die Spaziergänger staunen über das seltsame Kunstwerk in der Natur. Indianische Gebilde hängen in den Bäumen. Gebetsfahnen aus den Himalajaregionen wehen im Wind. Viele sind schon zerschlissen, doch immer wieder kommen neue als »Mitbringsel« von Reisenden hinzu. Es wird respektiert, sagt Baumann, bislang hat noch keiner etwas zerstört. Vielleicht spüren sie die Magie, die davon ausgeht.
Die Zeiten sind schwierig, das weiß er. So sieht es in seinem Beruf momentan nicht allzu rosig aus, die Auftrittsmöglichkeiten sind weniger geworden. Überall wird gespart, geknausert. Zuerst natürlich an den Dingen , die man »irrtümlicherweise« nicht so benötigt, wie Kultur. Aber es wird weitergehen, hofft Peter Baumann. Er hat den Kopf wieder voller Ideen und Pläne, arbeitet an neuen Projekten. Die hat er zum Teil hier oben »gefunden«, sagt er, und blickt dabei über seine Steine. Doch irgendwie hat man das Gefühl, das Lachen fällt ihm nicht mehr ganz so leicht.
Peter Baumann ist Batschu, der Clown.

Achim Schollenberger


Das neueste Projekt von Batschu:
Philipp Zappel oder in der Ruhe liegt die Kraft.
Theaterstück in einem Akt für Kinder ab der 1. Jahrgangsstufe.

Weitere Informationen dazu unter www.batschu.de