Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und Berlin
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Akimo: »Die Laudatio«
Mischtechnik auf Papier
(100 x 70 cm), 2000

Bildende Künstler fordern Ausstellungsvergütung

Berlin ist immer eine Reise wert. Auch und besonders dann, wenn man einen Termin im Bundesjustizministerium hat. Die Einladung zur Diskussion mit Alfred Hartenbach, dem Parlamentarischen Staatssekretär von Bundesjustizministerin Zypris, kam aufgrund eines Gespräches mit Walter Kolbow, dem Würzburger SPD-Abgeordneten und Parlamentarischen Staatssekretär beim Bundesministerium der Verteidigung, in dessen Würzburger Wahlkreisbüro in der Semmelstraße zustande. Kolbow, selbst kunstinteressiert, wie er sagte, fand das Thema »Ausstellungsvergütung für Bildende Künstlerinnen und Künstler« wichtig genug, und vermittelte den Kontakt mit dem Juristen.
Rückblende: Eine zeitlang sah es doch tatsächlich so aus, als hätte die 30 (!) Jahre alte Forderung der Gewerkschaft ver.di (früher IG Medien), der sich mittlerweile auch der Deutsche Künstlerbund und der Bundesverband Bildender Künstler (BBK) angeschlossen haben, eine Ausstellungsvergütung für Künstler im Urheberrecht festzuschreiben, Aussicht auf Erfolg. In den Koalitionsvereinbarungen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen war noch von Ausstellungsvergütung die Rede. Nun hat aber Justizministerin Brigitte Zypris im Sommer 2004 – man erinnere sich an die seitengroßen, teuren, polemischen Zeitungsanzeigen von Verlegern und Kunst-Verwertern gegen eine Änderung des Urheberrechts – das Thema Ausstellungsvergütung nicht mehr in das Gesetzgebungsverfahren zur Änderung des Urheberrechts einbezogen, was seitens der Künstlerschaft auf Unverständnis gestoßen ist.
Nur etwa vier Prozent der Bildenden Künstlerinnen und Künstler können ausschließlich von ihrer Arbeit leben. Die anderen 96 Prozent halten sich oft unterhalb der Sozialhilfegrenze über Wasser. Die Künstlersozialkasse errechnete im Jahr 2004 ein durchschnittliches Jahreseinkommen von 10 545 Euro. Damit steht diese Sparte am untersten Ende der Einkommensskala von Kreativen. Dieses magere Ergebnis hängt damit zusammen, daß Bildende Künstlerinnen und Künstler – im Gegensatz zu Musikern etwa – für die Nutzung ihrer Arbeit kein Honorar erhalten. Überspitzt formuliert: Alle ver.dienen an der Ausstellung: Kuratoren und Kunsthistoriker, Vernissagenredner und Aufsichtspersonal, Druckereien, Versicherungen, die Post, die Journalisten, der Hausmeister und auch die Putzfrau. Nur der Künstler geht leer aus. Im Gegenteil: Er investiert nicht nur seine eigene Zeit und Energie (und die von mithelfenden Partnern und Freunden), macht den Transport und den Ausstellungsauf- und -abbau selbst, – mancherorts zahlt er sogar noch richtig teures Geld, um überhaupt ausstellen zu können (in Würzburg ist das Spitäle trotzdem auf Jahre ausgebucht), eigentlich eine perverse Situation. Zumal es am Ende der Ausstellung nicht selten genug heißt: Außer Spesen nichts gewesen.
Künstler müssen ausstellen, um wahrgenommen zu werden. Aber nur ein Bruchteil von ihnen hat das Glück, von einer Galerie vertreten zu werden, die als echte Partnerin das Management und die finanziellen Lasten übernimmt. Alle anderen müssen sich neben den notwendigen Investitionen für ihre eigentliche Kunst-Leistung (Bilder malen, Skulpturen herstellen etc., was im übrigen auch der Wirtschaft zugute kommt), um Ausstellungen bemühen und deren Bedingungen aushandeln, d.h., der Künstler ist meist auch sein eigener Manager. Je besser er darin ist, je geschickter und selbstbewußter, um so erfolgreicher ist er. Über die künstlerische Leistung sagt dieser Erfolg oder Nichterfolg oft nichts aus.
Sollte eine Ausstellungsvergütung jemals eingeführt werden, wird dennoch kein Künstler von ihr leben können, dazu gibt es generell viel zu wenig Ausstellungsmöglichkeiten für zu viele Künstler, zudem wäre die Höhe der Vergütung zu geringfügig. Aber ihre Verankerung im Urheberrecht würde den unhaltbaren Zustand beenden, daß unsere Gesellschaft es als ganz normale Praxis ansieht, daß eine ganze Berufsgruppe ihre Leistung grundsätzlich kostenlos zur Verfügung zu stellen hat. Nutznießer dieser Situation sind all die Kunst-Verwerter und -Veranstalter, die nun nicht deshalb verteufelt werden sollen, weil sie eben nur das tun, was üblich ist – und weil es ihnen die Künstler generell sehr leicht machen.
Es gibt durchaus ermutigende Ergebnisse, wenn Künstler anfangen, sich dieser Praxis zu verweigern und eine Vergütung (in angemessener Höhe) fordern. Nach einer internen Erhebung der ver.di-Fachgruppe Bildende Kunst vom April 2005 werden durchaus Honorare, Tagespauschalen, Reisekosten, Versicherung usw. gezahlt, der Bogen spannt sich je nach Dauer und Versicherungswert der Ausstellung von 20 Euro (eine kleine Rathausausstellung) bis 5 000 Euro (Museum in Berlin). Nur – ansprechen muß es jemand. Wer nichts fordert, bekommt auch nichts. Natürlich kann es sein, daß ein potentieller Veranstalter dann eine Ausstellung platzen läßt – wenn es ihm nur um eine billige Dekoration seiner Räume geht, statt eben um die besonderen Bilder oder Skulpturen von Künstlerin oder Künstler XY.
Für Banken, Versicherungen, Industrieunternehmen wären Ausstellungsvergütungen allenfalls »peanuts«. Nicht selten gehört dort eine Ausstellung bereits zum Image, »Kunstförderer« zu sein, noch dazu mit dem schönen Nebeneffekt, daß sich am Vernissagenabend bei Sekt und Schnittchen das Klientel pflegen und neue Verträge anbahnen lassen …
Zurück zur Politik: Was für sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmer das Tarif- und Arbeitsrecht ist, ist für freischaffende Künstlerinnen und Künstler das Urheber- und das Urhebervertragsrecht. Und das gilt es so abzuändern, daß ein rechtlich abgesicherter Vergütungsanspruch besteht. Vergangenen Herbst startete die ver.di-Fachgruppe Bildende Kunst eine Briefaktion, um der Forderung nach einer Verankerung der Ausstellungsvergütung im Urheberrecht Nachdruck zu verleihen. Jeder Künstler sollte seine Bundestagsabgeordneten im Wahlkreis für die Sache mobilisieren. So kommt man zu Kolbow und so findet man sich nach fünfstündiger Fahrt mit dem ICE in einem Konferenzzimmer des Bundesjustizministeriums wieder.
Der Parlamentarische Staatssekretär Hartenbach hat sich für die Diskussion gut gewappnet. Er erscheint mit zwei Urheberrechtsexperten und seinem persönlichen Referenten. Gegenüber dieser Viererphalanx macht sich das ver.di-Team aus Dirk von Kügelgen, dem Leiter der Bundesfachgruppe Bildende Kunst in Berlin, und der Künstlerin aus Würzburg etwas dürftig aus; Kolbow wurde durch eine wissenschaftliche Mitarbeiterin vertreten.
Die Diskussion kam erst spät in Gang, weil Staatssekretär Hartenbach zunächst ein viertelstündiges Referat zur Position des Justizministeriums ablieferte und man keine Gelegenheit hatte, ihn zu unterbrechen (ich habe es versucht). Er wiederholte darin die altbekannten Argumente: Eine Berechnung sei zu kompliziert, vor allem junge, unbekannte Künstler wären benachteiligt (was bei einer Vergütung unabhängig vom »Marktwert« des Künstlers nicht stimmt), öffentliche Einrichtungen würden Ausstellungsmöglichkeiten zurückfahren und immer wieder das liebe Geld: Es seien keine »Haushaltstitel« da, Museen und Kommunen seien finanziell überfordert (da machte Dirk den Hinweis auf die nötige Gemeindefinanzreform) und alle Rechtspolitiker und Kultusminister wären sowieso grundsätzlich gegen eine Vergütung. Das juristisch ausgefeilte Statement garnierte Herr Hartenbach mit persönlichen Erfahrungen aus dem Kunstbereich. Auch er habe früher Ausstellungen organisiert, und »die jungen Leute« seien auch ohne Honorar immer sehr froh über die Ausstellungsmöglichkeit gewesen. Nach Meinung des Parlamentarischen Staatssekretärs im BMJ, der einen Künstlerfreund hat, der »deutlich mehr verdient« als er, ist alles bestens so wie es ist. Kein Argument der Gegenseite hätte ihn von dem Vorteil einer Ausstellungsvergütung überzeugt. Denn, so Hartenbach, Künstler können auch jetzt schon Honorare fordern und bekommen sie doch auch …
Also, Kolleginnen und Kollegen, ran an den Speck!

Angelika Summa


Was ist eine Ausstellungsvergütung?
Für das öffentliche Zeigen von Kunstwerken – seien es Bilder, Skulpturen, Performances, Videos, Fotografien usw. – soll eine Vergütung gezahlt werden. Persönliche Anwesenheit der Künstlerin bzw. des Künstlers – sei es beim Aufbau der Ausstellung, bei der Durchführung einer Performance, der Herstellung einer Installation etc. – ist grundsätzlich zu honorieren. Auch die Kosten für Reise, Aufenthalt und Übernachtung sind gesondert zu veranschlagen.
Galerien und der professionelle Kunsthandel, deren Aufgabe die Vermarktung der Künstler ist, sind von dieser Regelung ausgenommen.
Die Ausstellungsvergütung soll von einer Verwertungsgesellschaft eingefordert werden. Diese wird mit allen Veranstaltern, mit denen sie Verträge geschlossen hat, die Vergütung einziehen und an die Künstler ausschütten.
Quelle: ver.di Fachgruppe Bildende Kunst

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