Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und der Halbwelt
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Gert Michel, Galerist und Geschäftsmann, in Dali-Pose.
M-Foto: Wolf-Dietrich Weissbach

Kunstberater Martin Sinn stützt sich auf Fränkisches.
Foto: Wolf-Dietrich Weissbach
Konkurrenz belebt nicht immer das Geschäft

Die Galerie, die es nicht gibt

Kurios. Da bekommt man von verschiedenen Seiten zu hören, daß Kultur in Würzburg sowieso keinen interessiert, und dann streiten sich gleich mehrere Bewerber um das ehemalige Domizil der Städtischen Galerie in der Hofstraße. ›Ja, ist denn heut’ mit Kunst doch irgendwas zu verdienen?‹, wo doch angeblich hier im Talkessel nichts zu holen ist, höchstens ein Vernissagenschoppen und die obligate Salzstange dazu? Offensichtlich irrt der Laie, nur die Fachleute wundern sich nicht.
Reden wir über das Geschäft. Mit Hundertwasser und Dali läßt sich gutes Geld verdienen. Große Namen sind Zugpferde, überall. Würde man den Passanten auf der Straße bitten, er solle mal zehn weltbekannte Maler nennen, begänne der hundertprozentig mit Picasso, dann Dali, vielleicht Van Gogh, der mit den Seerosen, ja richtig, Monet und Hundertwasser, weil der eben vor kurzem in der »Städtischen« zu sehen war. Dann wahrscheinlich Sendepause. Zugegeben, das ist hypothetisch, aber der Leser kann ja mal bei sich selbst die Probe aufs Exempel machen.

Wie gesagt, große Namen bringen Quote. Das wissen auch die sogenannten Macher der speziellen Ausstellungen, die unter neuen Ausstellungstiteln oftmals die altbekannte Ware aus den Papierschränken ins manchmal blendende Licht der Öffentlichkeit hängen. Gegen Barzahlung (Eintritt) natürlich. Das ist legitim, schließlich leben wir in einer freien Marktwirtschaft. Dennoch kann das ernste Konsequenzen haben.
Der Tourist findet spielend auf Würzburgs attraktivster Kultur-Meile von der Festung über den Dom zur Residenz und umgekehrt die Räume des einstmals ersten Hauses am Platze in Sachen moderner Kunst. Verkünden doch Plakate einprägsam »ehemalige Städtische Galerie«, was den Gast aus fernen Ländern noch mehr animiert, in die »Städtische Galerie« zu gehen, weil dort eben auch für ihn bekannte Künstler präsentiert werden. Nur ist die Städtische Galerie längst umgezogen und liegt, eingebettet im Museum im Kulturspeicher, abseits von Haupt- und Nebenwegen, idyllisch am Main. De facto existiert sie gar nicht mehr, sondern mittlerweile wurde der Name »Städtische Sammlung« eingeführt. Also ist so eine Werbung schon mal irreführend, aber durchaus berechnend.

Aber was ist, bitte, eine »ehemalige Städtische Galerie«? Entweder es gibt eine Städtische Galerie oder keine. Wer immer auch in Zukunft die Räume im Erdgeschoß des Gebäudes bespielen wird, der private Betreiber sollte sich gefälligst was einfallen lassen und einen eigenen Namen für seine Galerie finden und damit werben. Auf keinen Fall darf eine Konkurrenz-situation durch derartige bewußte Anspielungen zu den echten öffentlichen Museen, vor allem zum Museum im Kulturspeicher entstehen, denn Doppeldeutigkeit kann sich die Stadt Würzburg weder imagemäßig noch finanziell leisten.

Was zur Frage des künftigen Ausstellungskonzeptes führt: Große Namen bringen auch nicht immer die angekündigte Qualität. Genausowenig wie das große Publikum, denn bei gesponserten Veranstaltungen werden schon mal auf oft wundersame Weise die Besucherzahlen, sprich Quote, für Sponsoren und die Medien nach oben geschönt, bei der tatsächlichen Kartenabrechnung sieht das dann ganz anders aus.
Ideal wäre in den Räumen ein Forum – das kann durchaus eine kommerzielle Galerie mit Verkaufsabsichten sein – für die lokale Kunst, die lange Jahre nebenan in der Otto-Richter-Halle ihren Platz hatte. Ein Programm dieser Art wäre sogar eine Entlastung für das Museum im Kulturspeicher, denn dieses hat ganz andere Aufgaben. Dieses Forum wäre dann eine sinnvolle Ergänzung zum Kunstangebot in Würzburg, und vielleicht würde der eine oder andere Tourist auch ein paar lokale Künstler auf diese Weise kennenlernen und deren Werke mit nach Hause tragen – Prädikat »made in Würzburg«.

Das Museum im Kulturspeicher jedenfalls muß auch in der öffentlichen Wahrnehmung die erste Adresse in Sachen moderner Kunst bleiben: Schließlich wurden genau dafür einige Millionen Euro investiert.
Irgendwann soll ja das Heizkraftwerk an der Friedensbrücke wie ein Schiff verkleidet werden. Das ist eine hübsche Idee. Darüber muß der Stadtrat entscheiden, genauso darüber, wer denn nun die »Ehemalige« bekommt.
Bleibt zu hoffen, daß nicht durch falsche Entscheidungen begonnen wird, das Flaggschiff für moderne Kunst nebenan zu versenken.

Achim Schollenberger