Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und New York
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Dr. Hans Küfner
Foto: Christian Grumbach

Erinnerung an
Dr. Hans Küfner und seine Galerie am Grasholz

Für den grantelnden Kettenraucher begann die Schlechtigkeit der Welt direkt vor dem Schaufenster seiner Galerie in der Textorstraße und endete nach einem Konvolut von defätistischem Geschimpfe in der allerhöchsten Politik, bei »diesen Verbrechern«. Aber für ihn hatte die Welt genau den Zustand, den sie verdiente, und der schien ihm hoffnungslos, auf eine reinigende Katastrophe zuzulaufen, somit also doch hoffnungsvoll.
Und bis es soweit war, wollte er sich ausschließlich mit der Kunst beschäftigen, genauer mit seiner Kunst, die je nach Laune (und der Laune des Besuchers) heute die einzig sinnvolle, morgen eine völlig idiotische Beschäftigung sein konnte.
So stand er bis zum Schluß inmitten ebendieser Kunst in seinem verqualmten Reich, das Rauchen ließ er wegen seiner erwiesenermaßen lebensverkürzenden Wirkung als einzig weitere rentable Tätigkeit gelten (über Essen und Schlafen müsse nicht gesprochen werden).

Fest verankert in dieser von ihm selbst errichteten kleinen Welt, bedingungslos von dem ihn umgebenden Werk überzeugt (oft war es auch eine sehr fragwürdige Überzeugung, wie er selbst einsah), wartete er geduldig und einsam, oftmals sehr lange einsam, eremitengleich. Diese Zeit des Wartens verbrachte der promovierte Germanist mit erlesener Literatur (bis die Augen nicht mehr wollten). Die Kundschaft konnte ihm eigentlich gestohlen bleiben, wäre da nicht das Bedürfnis gewesen, ab und an ein Gegenüber zu haben, das seinem zynischen Wettern über das Zeitgeschehen und die Dummheit der Menschen zuhören mußte, wobei der ausgestreckte Arm gnadenlos alle Passanten vor dem Fenster verurteilte. Die Freiheit der Gedanken, mal mehr, mal weniger reflektiert, und die Freiheit, sie schonungslos und mit einem Grinsen jederzeit dem Besucher seiner Galerie für »Graphik der Gegenwart« ins Gesicht zu werfen, war ihm hohes Gut. Nicht wenige hat er damit erschreckt, sie wurden nicht zu Kunden, aber das war ihm egal, wirklich egal. Diese Rolle des Gegenübers erfüllte man nur allzu gern, wenn man es erst einmal auf diese »Bühne« geschafft hatte, angesichts glanzvoller verbaler Ausschmückung und des Genusses mancher wundervoller Schätze, die er im Lauf von vielen Jahren oft mit Gleichgültigkeit kokettierend aus den Schubfächern zog (»Das ist alles nur bedrucktes Papier!«). Denn wer sich an seine Art gewöhnt hatte, der mußte ihn bald mögen und umgekehrt. Am Verkaufen lag ihm dabei scheinbar nie.

Unvergeßlich ist das Ritual, mit dem er den Wunsch nach etwas Bestimmtem erfüllte, gleichgültig, ob man Kaufen oder nur Sehen wollte: Nach letztem tiefen Zug wird in einem der Aschenbecher, die ihre Position in der Galerie im Laufe der Jahre nie veränderten, die Zigarettenkippe ausgedrückt, dann öffnen diese ruhigen Hände, die man getrost Pranken nennen kann, eine Schublade und blättern geduldig und mit diesem frappierenden zarten Gefühl in den Papierstößen, bis das Gewünschte herausgezogen wird und auf dem Tisch landet. Mit genüßlichem Lächeln verkündet Dr. Küfner: Voilà, bitteschön, kann man haben. Soll ich’s gleich einwickeln? während fünf breite Fingerkuppen sanft auf der Graphik verharren.

Zum Teil gelangten so Arbeiten nach ewigem Schlummer ans Tageslicht, die anderen Händlern an prominenterem Ort längst aus den Händen gerissen worden wären. Neben einer Menge gut verkäuflichem und unvermeidbarem Mittelmaß natürlich, das er aber auch stets verteidigte. Aber wo sonst konnte man noch großartige Blätter von Picasso, Miró, Chagall oder Léger bewundern, um nur ein paar der ganz großen Namen zu nennen, ohne die Aufdringlichkeit und Verfälschung scheinbar perfekter Hochglanzrahmung, konnte mit dem Galeristen die Blattqualität selbst erfühlen, diskutieren über Drucksauberkeit, Techniken und Papiersorten?

Mit dem Tod dieses profunden Kenners vor drei Jahren ist auch an seiner Bühne, der Galerie am Grasholz, deren einziger Protagonist er war, für immer der Vorhang gefallen. Die Galerienlandschaft Würzburgs verlor ihr streitbarstes und liebenswertestes Kuriosum.

Christian Grumbach