Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und New York
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Installation von Madeleine Dietz:
Tag für Tag (2000)

Fotos: Weissbach

Madeleine Dietz

Burkard Schmidl
Doppelt gemoppelt – die aktuellen Ausstellungen von Madeleine Dietz und Burkard Schmidl & Sven Höhnke im Kulturspeicher:

Was kommt danach?

Die Bildhauerin Madeleine Dietz stellt existentielle Fragen

Ihr Anliegen sei es, die Lust am stillen Betrachten einzufordern, formulierte die Bildhauerin Madeleine Dietz während der Pressekonferenz ihr Unbehagen an der gemeinsamen Kulturspeicher/Würzburg AG-Planung, zur zeitgleich stattfindenden Klanginstallation von Schmidl/Höhnke (siehe rechte Seite) sonnabendliche Cocktail-Gesprächsrunden durchzuführen.

Daß sich Event-Veranstaltungen und meditativer Kunstgenuß stören könnten, ist im Falle der Mannheimer Künstlerin, 1953 dort geboren, zumindest nicht auszuschließen. Denn Dietz stellt in ihrem Werk weltabgewandte, existentielle Fragen nach Himmel und Erde, Leben und Tod und: Was kommt danach? Was bleibt?

Nichts, lautet die Antwort der stählernen Architekturruinen, seien es Tempelanlagen, seien es verlassene Häuser, deren Inneres mit trockener Erde gefüllt ist. Zumindest nichts Menschliches. Niemand hat Reste oder Spuren hinterlassen. »Was oben war, wird unten sein«, so lautet das Credo der durchnumerierten Grundrißreihe aus Erde und Stahl, die die Endlichkeit des menschlichen Lebens geradezu plastisch vor Augen führt. Auch sind diese einsamen Landschaften nicht aus religiösem Drang entstanden. Die Künstlerin prüft die menschlichen Grundbedingungen und -bedürfnisse im Diesseitigen.

Dem Betrachter der Ausstellung »… über der Erde die Sonne« im Würzburger Kulturspeicher (bis 10. April 2005) erschließen sich die Themenkreise wie Vergänglichkeit, Erinnerung, Geborgenheit und Verletzlichkeit durch Raumskulpturen aus Erde und Stahl. Mit diesen so gegensätzlich anmutenden Materialien baut sie Schicht um Schicht, Erdkrume für Erdkrume und Eisenplatte zu Eisenplatte hohe Mauern, flache Kästen, bewegliche Wandschuber und bringt mit diesen Systemen Ordnung ins menschliche Dasein. Dem kühlen, beständig scheinenden Metall kommt dabei die Halt gebende, schützende Funktion zu, der brüchigen Erde der zeitliche Faktor. Aber erst im Kontrast der beiden Materialien erschließt sich letztlich die Intention der Künstlerin.

Die meisten der Formen sprechen für sich, auch wenn sie nur als Lichtspur aus der Erde treten wie in »Drei Felder ohne Namen«, 2005. Mit der Betitelung verknüpft die Künstlerin die rein ästhetischen Aussagen mit menschlichem Werden und Vergehen und bleibt trotzdem im Geheimnisvollen und Ahnungsvollen, ohne den moralischen Finger zu heben.

Diese Zurückhaltung gibt die Künstlerin in ihrer Videoarbeit »Eine Frage der Zeit« auf. Die rituelle Körperwaschung einer alten Frau, hier der eigenen Mutter, kann jeder als Mahnung nach sozialer Verantwortung für alte Menschen entschlüsseln. Aber gerade die Direktheit, mit der Bedeutungsvolles gewollt wird, ist zu deutlich und verstimmt deshalb.

Da bleibt die ebenfalls personifizierte Licht-Erscheinung in »Tag für Tag« aus dem Jahr 2000 – hier wird per Diaprojektion ein kleines Mädchen im Spitzenkleid über eine erdige Rundsäule geführt – noch eher im Rahmen der Dietzschen Ästhetik, die doch so prägnante Sinnbilder für Mystisches geschaffen hat.
Angelika Summa

Wohin gehen wir danach?

The Secret Element – Eine Reise durch Klang und Licht

Das Unbehagen von Madeleine Dietz gegenüber der Verknüpfung von Kunstrezeption mit gewöhnlichem Freizeitgebaren (Kino- oder Diskothekenbesuch) bzw. einer Art Infotainment durch ein spezielles Samstagabendprogramm im Foyer (Vorträge und Filmvorführungen alternierend, Cocktailbar konstant) teilen Burkard Schmidl und Sven Höhnke nicht. Und wissen dabei sowohl die Leitung des Kulturspeichers hinter sich, als auch die Würzburg AG, die beide den modernen Charakter des Events betonen, von der Öffnung des Museums gegenüber neuen Ausstellungskonzepten schwärmen und den Mehrfachnutzen für alle betonen.

Für die beiden Künstler liegt dieser auf der Hand, da sie durch die Öffnung des Kulturspeichers an den kommenden Samstagabenden ein Publikum erreichen, das zu den gewöhnlichen Öffnungszeiten bei Tage die Veitshöchheimer Straße höchstens im Durchgangsverkehr wahrnimmt.
»The Secret Element« präsentiert vier Kompositionen Schmidls in Oktophonie (Raumklang), die Höhnke ausschließlich über Intensität und Farbe des Lichts hinter vorgesetzten, glatten Stoffwänden in Szene setzt. Licht und Klang harmonieren, bei beiden ist der Einsatz von Computern unabdingbar.

Im Gegensatz zu den bisherigen Klanginstallationen Schmidls, die meist unter freiem Himmel (Landesgartenschau, Residenzgarten etc.) zu finden waren und sich mit der jeweils vorhandenen natürlichen oder zivilisatorischen Lautsphäre vermischten, läßt die isolierte Darbietung im Raum die Installation zur überwiegend musikalischen Arbeit werden – und legt die Frage nahe, ob dann die Präsentation in einem Ausstellungskontext als Form den Inhalt adäquat zu transportieren vermag. Nicht zuletzt, weil die »Reise« eher als sich wiederholende, knapp einstündige Rundfahrt angelegt ist – in einem Bus, dessen Fenster aus Milchglas sind, so daß die Umgebung nur schemenhaft vorbeizieht und der Fokus ganz auf Schmidls Bilder gerichtet ist.

In diesen erzählt er von seiner Suche nach dem fünften, dem geheimen Element, das er wie ein Alchemist im (digitalen Computer-)Labor aus der Zerlegung und neuerlichen Zusammensetzung der vorhandenen Elemente (Klänge) zu synthetisieren versucht. Wo andere Installationen – um beim Bild zu bleiben – Klang z. B. als Found Object, Collage, Mischtechnik, monochrome Fläche oder soziale Plastik inszenieren, zeigt Schmidl Aquarellmalerei. So gerät der zentrale Aspekt – die Zerlegung der Klänge – in den vier Tableaus zum unscharfen Hintergrund, während als vordergründiges Bildmotiv romantische Melodiebögen die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Aber: Wozu sind dann Konzerte da?

Für den Kulturspeicher ist die Öffnung hin zur Klanginstallation sicher ein erster Schritt in die richtige Richtung. Unter formalen und inhaltlichen Aspekten heißt es aber dann: Bitte weitergehen!
Jochen Kleinhenz

Madeleine Dietz:
… über der Erde die Sonne – Raumskulpturen

Burkard Schmidl, Sven Höhnke:
The Secret Element – Eine Reise durch Klang und Licht

beide: 26. Februar – 10. April, Kulturspeicher Würzburg
www.kulturspeicher.de