Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und New York
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Treffpunkt Architektur.
Foto: Wolf-Dietrich Weissbach

Treffpunkt Architektur

Nun ja, Würzburg und seine Häuser. Wenn sie alt sind, dick und groß, stammen sie von Balthasar Neumann und der gemeine Würzburger weiß, es handelt sich um Architektur. Wenn Skulpturen schmal, neurasthenisch und nach Migräneanfall aussehen, stammen sie von Tilman Riemenschneider und man weiß, es handelt sich um Kunst. Wenn etwas geheim ist, ahnt man, es geht um Stadtentwicklung.
Kurz gesagt: Alt ist schön, Neues stimmt bedenklich und was man nicht wissen soll, nimmt man nicht wahr.

Überhaupt die Wahrnehmung: Wenn ein Werk, wie die frisch angebrachte Plastik von Hüppi am neuen Justizgebäude in der Ottostraße, so ein lockeres, spaßiges Kribbeln im Bauch erregt, dann ist es doppelt verdächtig. Lachen im Angesicht der Justiz hat etwas Subversives an sich. Wer dagegen blind die Urteile längst verblichener Altvorderer repetiert, gilt als wahrer Kenner. Und wer möchte nicht auf der sicheren Seite stehen! Das Wagnis eigener Erkenntnis und Vertrauen auf seinen Verstand sind selten die Sache des Würzburgers. Ausnahmen gelten so viel wie Propheten im Vaterland.
Es ist Zeit, einen solch dürren Acker zu bestellen! Leicht wird es nicht sein. Viel Zeit wird vergehen, bis aus dem kultivierten Boden grüne Pflänzchen sprießen.

Wie die bildende Kunst einen Ort im Kulturspeicher gefunden hat, von dem aus sie wirken kann, so hat auch die Architektur ein Haus gefunden, in dem sie sich in allen ihren Ausprägungen und in vielfältigster Gestalt zeigen kann: den »Treffpunkt Architektur« in der Herrnstraße 3. Seine Lage an einer Passage mitten im Getriebe der Stadt ist nicht Zufall, sondern Programm. Architektur im städtischen, urbanen Kontext. Architektur im Dialog mit den Menschen, denen sie dient, die sie nutzen, die sie prägen. Mit Schaufenstern auf zwei Seiten öffnet er sich den Blicken der Passanten und präsentiert, was in ihm vorgeht.

Als der »Treffpunkt Architektur« am 9. Oktober 2003 eröffnet wurde, war er der erste seiner Art in Bayern. Angeregt durch ausländische Vorbilder wie zum Beispiel die Architekturzentren in den österreichischen Bundesländern oder den Kantonen der Schweiz, konnten die Würzburger Architekten die Bayerische Architektenkammer von der Notwendigkeit überzeugen, in den Regierungsbezirken des Flächenstaates Bayern ähnliche Einrichtungen als regionale Außenposten zu schaffen. Inzwischen ist auch in Nürnberg ein Treffpunkt entstanden. Weitere sind im Gespräch. Reisenden sei das Architekturzentrum mit einem wunderbaren Café im Wiener Museumsquartier empfohlen.

Die Diskussionen der letzten Jahre über mehr oder weniger bedeutende Projekte in der Stadt, erinnert sei an den Umbau des Kaufhauses Wöhrl, die Domschatzkammer, das Kilianshaus, die Markthalle und andere mehr, haben einen erschreckenden Mangel an Hintergrundwissen und Argumenten offenbart. Statt über die Sache wurde über Personen gesprochen. Immer schien es um alles oder nichts zu gehen. Die allein wichtige Frage, welches denn die beste Lösung eines Problems sei, konnte nicht gestellt werden, weil es an Kriterien zur Beurteilung fehlte. Selbst der Stadtrat entledigte sich des Sachverstandes, indem er den Baukunstbeirat entmutigt ziehen ließ. Mangel an Geld war eine willkommene Ausrede.

Der »Treffpunkt Architektur« will ein Ort der Diskussion, des Austausches von Meinungen, auch von kontroversen Standpunkten sein. Er ist eine öffentliche Einrichtung. Seine Veranstaltungen wenden sich an die Öffentlichkeit. Ausstellungen und Vorträge zu Themen der Architektur, des Städtebaus, der Landschafts- und Stadtplanung in einem weiten Sinn liefern Wissen und Informationen. Sie blicken über den Tellerrand und zeigen, was sich andernorts tut.

Das Programm wird von den Verbänden der Architekten erdacht, verantwortet und finanziert. Viele Veranstaltungen dienen ihrer Fortbildung. Der Treffpunkt steht aber auch anderen frei, die einen Beitrag zum Diskurs leisten wollen. Anregungen sind ebenso willkommen wie Sponsoren. Gelegentlich wird eine Ausstellung, wie die mit Arbeiten von Joachim Koch, die Grenze zwischen Kunst und Architektur erkunden. Der Eintritt ist in der Regel frei. Halbjährlich erscheint ein Leporello mit einem ausführlichen Programm, das an vielen Orten der Stadt ausliegt, z. B. im Spitäle, dem Museum im Kulturspeicher, der Regierung von Unterfranken.

Seit dem ersten Tag hat eine Fülle von Vorträgen und Ausstellungen den Raum genutzt. Der Zuspruch nimmt langsam aber stetig zu. Eingedenk der Erkenntnis, daß dicke Bretter langsam, aber beständig zu bohren sind, sind die Initiatoren bester Hoffnung, eine weitere Facette im kulturellen Leben der Stadt entwickeln zu können.
Eines Tages wird vielleicht der Würzburger Bürger die Qualität jüngerer Häuser erkennen und schätzen lernen. Auch wenn sie nicht von Balthasar Neumann sind.
Ulrich Pfannschmidt

Das aktuelle Programm im Treffpunkt Architektur (Auszug):

Badetempel. Hallenbäder aus Jugendstil und Gründerzeit
Fotografien von Prof. Dieter Leistner.
Ausstellung vom 31.03.–17.04.2005 im Treffpunkt Architektur.

Architekturbild – Die See und das Gebirge
Reisebilder von Florian Leitl.
Ausstellung vom 22.04.–13.05.2005 im Treffpunkt Architektur.

16.04.2005 – ArchitekTourbus
Wieder fährt der Bus zu Besichtigungen von Einfamilienhäusern, diesmal in den Raum Schweinfurt. Zeiten, Ziele und Abfahrtsort werden noch bekanntgegeben.

02.05.2005, 18.00 – Uhr Filmabend im Cinemaxx
Auf dem Programm stehen verschiedene Filme, darunter »Der Bauch des Architekten« von Peter Greenaway. Das gesamte Programm wird rechtzeitig bekanntgegeben.

12.05.2005, 19.00 Uhr – Werkbericht über das Büro der berühmten Schweizer Architekten Herzog & de Meuron, Basel, die unter anderem die Tate Modern in London und die Allianz-Arena in München gebaut haben.