Nummer – Zeitschrift für Kultur in Herbipoli et Armoricae
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Mund Art No. 1
Foto: Wolf-Dietrich Weissbach
Mund Art No. 2
Foto: Wolf-Dietrich Weissbach

Eine Wiedergeburt mainfränkischer Mundart

aus dem Geist von Asterix und Obelix?

Verwundert beschaut sich so mancher wackere Franke die dicken Bücherstapel vor den Eingängen von Buchhandlungen. Asterix und Obelix sind eingetroffen. Ganz neu. Eine Sensation. In Mundart. Fränkische Aufmerksamkeit wird erregt. Trifft sich gut, daß in letzter Zeit »Aufgemerkt« als Parole vorgegeben wird.
Welches Mainfrankenherz schlüge da nicht höher? Nun wird aber die altvertraute Mundart dem Verschwinden entrissen! Wo kann man sie denn noch lesen, die heimischen Mundartworte? Wo hört man sie denn überhaupt noch, die urigen Mundartlaute zurückgebliebener mainfränkischer Eingeborener?
Also, ganz vorne sind die platziert, die Bücherstapel. Wo doch sonst die Mundartliteratur, Mundartdichtung, verschämt hinten in einem Seitenregal zu finden ist, normalerweise jedenfalls, soweit noch im Sortiment …
Bei genauerem Hingucken verfliegt die erwachte Euphorie rasch. Was ist denn das für eine Sprache, gleich vorne drauf, auf dem Buchdeckel?
»Asterix uff Meefränggisch«, steht da drauf, »uff Meefränggisch«. »Uff« und »Mee«, wie passt das nur zusammen? »Uff« (auf), sagt man doch jenseits des Spessarts, der ja bekanntlich immer noch eine Mundartsprachgrenze ist. »Uff« stammt doch von dort, wo man zum Main »Mä« sagt oder »Moi«.
Und dann ist da auch noch etwas von einem »Büchle« zu lesen und von »Bildli«, die gemalt worden sind. Und »Grunzverreck« steht da. Na ja, es ist schon der zweite Band. Auf dem ersten war an dieser Stelle »Brunzverreck« gestanden. Was soll denn das bedeuten? Vielleicht, daß immer noch viel gegrunzt wird, aber sich herausgestellt hat, daß die wenigsten der jugendlichen Leser noch wissen, was »brunzen« heißt.

Grunzverreck. Brunzverreck.

Ach ja, ach nein, zu dem »Büchle« und den »Bildli« und dem Kringelchen auf dem a von »Fråche« (Frage) muß jetzt gleich mainfränkisch grundsätzlich etwas gesagt werden. Also, von Würzburgs einstigem Meeviertel eine schöne Strecke weit mainabwärts und mainaufwärts bis nach Oberfranken (und im Mittelfränkischen natürlich auch), da war einst (und ist noch heute meistenteils) ein Büchlein »a Böchla« und ein Mädchen »a Mädla« und zwei Büchlein »zwä Böchli« und zwei Mädchen » zwä Mädli«.
Die Endung »-le«, die war und ist eine Sprachebene höher. Diese Endung haben die Würzburger Bürger gebraucht, auch wenn sie mit ihrem Dienstpersonal geredet haben. Und das gehobene Bürgertum dieser Frankenmetropole, das hat Mundart gänzlich verabscheut, hat sie nicht in den Mund genommen, und hat sie selbstverständlich von seinen Sprösslingen ferngehalten. Das war hier sehr anders als in Nürnberg oder im südlicheren Süddeutschland, Österreich und der Schweiz, wo alle Schichten der Bevölkerung ihre Mundart sprechen, zumindest mundartkundig sind.
Und weil das in Würzburg so anders war und ist mit der Wertschätzung von Mundart, findet man im Kulturleben der Stadt kaum einmal jemand, der die regionale Mundart beherrscht, oder dem sie etwas bedeutet. Und das ist mit ein Grund, daß zum Beispiel am Würzburger Stadttheater nie mainfränkische Mundart gepflegt worden ist.

Grunzverreck. Brunzverreck.

Doch zurück zum mittlerweile weitverbreiteten »-le«. Was hat es damit auf sich? Wenn »a Dienstmädla« vom Land nach Würzburg »in Stell« gegangen ist, wurde es »ein Dienstmädle«. Diese Sprechweise (Herrschaftssprache sozusagen) hat es angenommen und mit zurück ins Dorf getragen. Ein »höheres« Idiom, das seinen Siegeszug antrat, neuerdings mit »Fleischküchle« bis auf Nürnberger Speisekarten.
Doch zurück zum Kringelchen: Was soll es auf dem a? Klar, es soll zeigen, daß es sich um ein besonderes a handelt, eines, das tief und dunkel gesprochen zum o tendiert, nach einer wenig gebräuchlichen Mundarttransskription, deren sich die Übersetzer/Autoren hier bedienen. Weil ihnen der genuine Klang der Mundart so am Herzen liegt? Oder doch eher wegen des exotischen Reizes?
Wegen letzterem, so kann man vermuten, erscheint fränkisch als »fränggisch«. Anscheinend geht es darum, Echtheit mittels einiger extrem geschriebener Wörter zu suggerieren. Mit »Schbordsfräöünd« (Sportsfreund) sieht das gar komisch aus.
Die Schreibweise soll wohl mordsmäßig was hermachen – sie kann so nicht konsequent durchgehalten werden, es wäre äußerst schwierig, sie zu entziffern. Mundart schriftlich zu fixieren, nötigt immer zum Kompromiß zwischen Lauttreue und Lesbarkeit.

Grunzverreck. Brunzverreck.

Muß denn Sport als »Schbord« geschrieben werden? Die Rechtschreibung des Hochdeutschen kennt hier auch keine Lauttreue (wie bei Straße auch und allen Wörtern mit St und Sp im Anlaut).
Ein anderes herausgegriffenes Beispiel: »weider geht’s«. Hier wird nun der t-Laut einmal »weich« und einmal »hart« aufs Papier gebracht. Wobei in Franken die t und die p … nun, das wissen wir schon, wie weich die immer ausgesprochen werden. (Wen stört’s?)
Seltsam mutet auch an, daß in jedem Wort mit a ein Kringelchen auf diesen Buchstaben gesetzt wird, als ob es nicht verschiedene a-Laute gäbe.
Dazu dann eigentlich Erfreuliches, werden doch aus der Gruft vergessener Mundartwörter einige ausgegraben. Zu »Moggela« (Kälbchen) ist anzumerken: Es wurde im Mainfränkischen häufig als Kosewort gebraucht. So, wenn eine Großmutter zu ihrem Enkelkind »Du bist mei Mockerla« sagte. Mit Ausdruck und Gefühl, Klang, wie man ihn mit Buchstaben allein nicht vermitteln kann. Dazu braucht es kompetente Sprecher und Sprecher-innen. Ebenfalls, nur um zu sagen »Bua« oder »Mädla« oder »Mee« (letzteres besonders melodisch und mit leichtem i-Ausklang). Oder auch »Er it kumma« statt »Er is komm’n«, oder »Er hat gsunga« statt »Er hat gsung’n«. Beim Hören solcher ursprünglichen Worte und Wendungen kann einem aufgehen, was der russische Dichter O. Mandelstam meinte mit »O Wort, kehre zur Musik zurück«. Echte mainfränkische Mundart war immer auch Musik, oder ihr zumindest nahe …

Grunzverreck. Brunzverreck.

Es ist ein absonderliches »Meefränggisch«, in das Asterix und Obelix hier eingefrankt wurden.
Nun, die beiden, auf ihre Art ganz witzig mit asterix- und obelixmäßigen Gags eben, trinken ihren »Mädschigg-Schoppe«. Das Geheimnis der Herkunft dieses Tranks wird sogar gelüftet. Es handelt sich um Wein neufränkischer Großlagen. Und wer da nicht glauben möchte, sprachlich wäre Verschiedenartiges zusammengemischt worden, der kann nachlesen und feststellen, daß es so geschehen ist.
Freilich, sprachlicher Mix liegt im Trend der Zeit. Zeitgemäß tendiert die Mundartliteratur hin zu Spass (norddt. Spaß) und Ulk. Auf den Kabarett- und Theaterbühnen werden Mundartsprecher fast nur noch als Witzfiguren und Volltrottel vorgeführt und veralbert, dem Gelächter preisgegeben. Und die Mundart mit ihnen. Aber es ist meistens eine verflachte und verfälschte Mundart (auch das Hochdeutsche kann sich gegen seine Verhunzung nicht wehren).
Nicht überall, wo Mundart draufsteht oder angesagt wird, handelt es sich noch um Mundart. So kommt sie in dem »Büchle« als ein Mischmasch vor, ein Mix aus Aschaffenburgisch, Würzburgisch, fränkischer Umgangssprache und mehr oder weniger regional gefärbtem Hochdeutsch, versetzt mit Jargon und versehen mit ein paar originalen Mundartworten. Nicht ohne Reiz – als Mundart-Parodie.

Grunzverreck. Brunzverreck.

Emil Mündlein