Nummer – Zeitschrift für Kultur in Herbipoli et Armoricae
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Editorial
nummer 2

»Der Hintern des Teufels ist die Unruhe,
die Langeweile ist der Hintern Gottes.«

Ernst Bloch 1911


In dieser unruhigen (Jahres-)Zeit, die man gern die fünfte nennt, sollte man sich dieses Mannes erinnern, um kühlen Kopf zu bewahren.
Anlässe dazu gibt es mehrere – wenn auch keinen unserer geliebten Jahrestage.
Zunächst einfach den, an einen klugen, geistreichen Mann zu erinnern, den die Zeitläufte inzwischen etwas ins Abseits gedrängt haben. Dabei war er doch ein Mann des Wortes, der als Säulenheiliger einem Organ wie dem unseren wohl zu Gesicht steht. Ein Mann für alle Jahreszeiten, sozusagen.
Man könnte aber tatsächlich auch auf einen Jahres-tag hin Anlauf nehmen – wer ist sich noch bewußt, daß dieser marxistische und so ungeheuer musische Philosoph von 1906–1908 in Würzburg studiert und hier seine Promotion abgelegt hat, übrigens wohl mit weniger Mühe als manch andere Koryphäe?
Und bei wem hat er studiert? Bei einem noch viel intensiver vergessenen, nur noch in Fachkreisen bekannten Professor, einem gewissen Oswald Külpe.
Es klingelt in Ihrem Gedächtnis? Sie liegen richtig: Es ist jener Külpe, nach dem gerade eine Straße benannt werden soll. Über den berühmteren Schüler kommen wir so zum Doktorvater, freuen uns daran, daß Ernst Bloch dessen Universalgelehrtheit rühmte, und haben sogar Verständnis dafür, wenn dieser Professor künftig sein Grab nicht mehr nur im Friedhof, sondern auch in jedem Stadtplan hat.
Wie aber kommt man am hellichten Tag auf Ernst Bloch? Die Unruhe allein kann’s ja nicht gewesen sein.
Nein, es war die fünfte Jahreszeit, wo der Frohsinn wieder über alle Kanäle bordet. Ein von den Medien leidenschaftlich hochgepeitschtes Sujet. Zwar sagen die meisten Kommunikatoren hinter vorgehaltener Hand, sie täten es nur um der unverzichtbaren Werbeträger willen. Und freuen sich doch vermutlich, daß sie mal so richtig zünftig auf die Schenkel oder sonst wohin klatschen können.
Der kurzsichtige Bloch wußte es besser.

Sehen Sie sich die strahlenden Gesichter im Fernsehen an, und Sie wissen, ob mit oder ohne künstliche Maske, Orgien an Schminke und künstlichem Haarputz: In der fünften Jahreszeit sind, wie Bloch – wenn auch in anderem Zusammenhang – sagte, die Fassaden »zur Kenntlichkeit entstellt«.
Von Kardinal Lehmann abwärts. Haben Sie im TV sein breit strahlendes Gesicht, mit Käppi obenauf, gesehen, als er in Aachen mit dem Orden wider den tierischen Ernst dekoriert wurde?
Was würden wir doch auch gerne so lachen können!

Bevor auch Sie der Frohsinn ohne Hintersinn übermannt – werfen Sie einen Blick in unser völlig humorfreies Organ. Und versäumen Sie nicht, es zu abonnieren.
Wenn Sie wieder mal unter ihrem Niveau gelacht haben sollten und sich darob ein schlechtes Gewissen in verkaterten Morgenstunden gütlich tut, finden Sie und Ihr hintersinniges Ich allemal bei der Lektüre die Absolution, und das nicht nur in dieser wunderbaren, nicht endenwollenden fünften Jahreszeit.

Berthold Kremmler