Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und München
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Foto: Lukas Kremmler

Steffi Mayer: Zwei (2004) – Abbildung aus dem Katalog

In Prison

Die Malerei der Steffi Mayer

von Berthold Kremmler

Das Plakat, das die Malerin Steffi Mayer für ihre erste Einzelausstellung im Martin von Wagner-Museum angefertigt hat, erfüllt seinen Zweck: es ist plakativ in seiner Farbigkeit und seiner Bildgestaltung, verstörend durch die dargestellte Person und irritierend mit seinem anspielungsreichen Titel »Amerikanischer Traum«. Steffi Mayer malt figurativ, wie es dieses Haus zu bevorzugen und zu schätzen scheint. Man kann die Gegenstände und Personen auf den Bildern also erkennen und identifizieren. Und doch zeigt sich dieses Bild als rätselhaft, gerade im Verhältnis zu seinem Titel. Denn auf den ersten Blick hat es nichts von einer Traumdarstellung und auch nichts Amerikanisches an sich. Im Zentrum sitzt eine Person in blauem Anzug, es könnte blauer Zwilch sein, wie ihn früher die Soldaten der Nordstaatler anhatten, vor 150 Jahren, oder auch Arbeiter. Ein richtiger Stuhl ist nicht erkennbar, er ist reduziert auf ein einziges Bein. Irritierend freilich ist das Zentrum des Bildes, in dem ein nicht eindeutig ausgestalteter Kopf seine beunruhigende Wirkung tut. Ein Kopf, eher aber nur eine Andeutung davon, ein Schemen. Steffi Mayer meint, es sei wie ein locker gewirkter Sack darübergezogen wie die, in denen Gemüse abgepackt sei. Je mehr man dies Gesicht zu erforschen sucht, desto mehr treten melancholische Augen hervor. Die Schädeldecke ist eher ein braune strukturierte Fläche, die bei mehrmaligem Hinsehen wie ein gespaltenes Gehirn aussieht.

Aus der Traum? Was ist mit dem Raum, in dem sich der Sitzende befindet? Er ist bestimmt durch rote, fast strahlenförmig angeordnete Streifen. Der Betrachter schwankt in seinen Assoziationen zwischen rotem Markisenstoff, wie man ihn bei Strandmöbeln finden kann, und den Streifen der amerikanischen Flagge, die gleichzeitig Stäbe eines Gefängnisses sein könnten.

Je mehr man das Bild ansieht, desto stärker drängt sich der Eindruck auf, der amerikansiche Traum sei heruntergekommen zu einem elend dasitzenden jämmerlichen Menschen, der eingesperrt ist in Farben, in einen einzwängenden Raum, der sich durch die Streifen mehr zuzieht als öffnet. Ist in Guantanamo der amerikanische Traum zu sich selbst gekommen, zur Zerstörung des Menschen mit einem unverkennbaren individualisierenden Gesicht? Oder ist da ein »Ecce homo« eingeschlossen wie in einer Monstranz? Der eigentlich entgrenzende Traum und die Isolation durch die Strahlen?

Das Bild gibt der Ausstellung ihren Namen, aber das Plakative rückt es vom Rest der Ausstellung auch ab, in deren Thematik politische Anspielungen keine Rolle spielen; daß es durch Gefälligkeit Zuschauer anzulocken versuchte, kann man nicht behaupten: Verunstaltungen von Kopf und Gesicht werden ihre Bedrängung nie verlieren, sehen wir auch noch so viel Kriegs- und Justizgreuel. Insofern ist diesem Plakat Mut nicht abzusprechen. Aggressivität ohnedies.

Hat das Bild vom Motiv her etwas Singuläres in der Ausstellung, zeugt es doch in einer untergründigen Verbindung von Verfall und Zerstörung, die auch in den übrigen Bildern omnipräsent sind. Im Eingangsbereich hängt neben dem Plakatbild ein weiteres Personen abbildendes Gemälde mit dem Titel »Zwei«. Ein altes Motiv, ein altes Spiel: Maler und Modell. Nur ist diesmal der Maler kein Mann, sondern eine Frau, mit entblößtem Oberkörper und entsprechender sinnlicher Ausstrahlung. Daß die Räume diffus sind, versteht sich, denn diese Motiv kann gar nicht anders als mit Spiegeln arbeiten und damit den Raum auflösen. Aber etwas weiteres Beunruhigendes kommt hinzu: die Darstellung des Mannes mit seinem Requisit: einem Schwert, das er mit bloßer Hand an der Klinge umfaßt. Die Spitze dieses fast unwirklichen Mordinstruments zeigt auf das Auge der Frau im Spiegel. Obwohl die beiden Personen fast parallel zur Bildfläche stehen – der Mann ist sogar etwas gegen die Frau gedreht –, ist damit eine höchst prekäre Verbindung hergestellt. Was aber im »Traum« nur bei der Darstellung des Kopfes beunruhigt, beherrscht in diesem Bild – wie in den meisten andern der Ausstellung – die gesamte Bildfläche: eine expressive Mischung von Farben, oft vorherrschend blaue und rote Töne, in einer gedämpften Aggressivität, wie man sie von Kokoschka oder Ludwig Meidner aus der Zeit des Ersten Weltkriegs kennt. Aber dies bezieht sich mehr auf den Malstil, der im übrigen im Farbauftrag sich sehr unterscheidet, da er nicht wütende wilde Farbverdickungen auf der Leinwand aufhäuft und dem Bild eine geradezu plastische Physiognomie verleiht, sondern immer zart und durchsichtig flächig, aber voller Energie die Farben aufträgt.

Steffi Mayer beschäftigt sich vor allem mit zwei Sujets, dem menschlichen Körper, in Porträts, in Akten, und dem Stilleben, für das der französische Begriff »Nature morte«, tote Natur, oft diese Bilder aussagekräftiger bestimmt als der deutsche. Die Stilleben widmen sich zwei Ausschnitten aus der Natur, den Blumen und den Früchten. Aber es sind keine strahlenden, durch Farbe und Gestaltung gesättigten, gewinnenden und verführerischen Pflanzen, sondern eher morbide Gewächse, die in ihrer Wucht und verwirrenden Anordnung, aber auch in ihrer Ausstrahlung von zupackender Energie den Betrachter zugleich anlocken wie zurückweisen. Man sieht diese Energie, die sich keines Pinsels und seiner feinen Struktur bedient, sondern oft die Farbe wohl direkt mit den Fingern ins Bild aufträgt und dem Glanz des Acryl zusehr mißtraut, als daß nicht Öl und Tempera die bevorzugten Materialien wären.
Man ist gespalten zwischen dem Eindruck düsterer, fast schmutziger Farben, denen die Morbidität eingelassen ist, und einer Bewegtheit und untergründigen Leuchtkraft. Die tritt freilich erst wirklich und überzeugend hervor, wenn das künstliche Licht in den Räumen ausgeschaltet ist und die Bilder ganz von sich aus zu strahlen beginnen.

Diese Stilleben zeigen überlebensgroß Blumen, die schon für sich den Drang ins Große haben, etwa Liliengewächse unterschiedlichen Aussehens, unterschiedlicher Farbe und Provenienz. Aber große Gewächse müssen nicht schon groß und unanfechtbar im Bild stehen. Im Gegenteil ist beherrschend – grade wenn man von den Bildern weiter zurücktritt – , wie die Blumen und Früchte integriert, ja fast überwuchert sind von anderen, wie die Blätter Eigenleben gewinnen, lebendig zu werden scheinen und ein verschlungenes Ganzes ergeben, das sich freilich gegen den Rand abgrenzt. Der eher wilden Dynamik des Malstils, den heftigen Farbkontrasten stehen dann kleinteilige kringelige Gewächsformen gegenüber, die etwas manieristisch Domestiziertes an sich haben.

Das letzte Bild des Katalogs trägt den Titel »In Prison«. Die Titel wären insgesamt einiger eigenen Überlegungen wert. Sie knüpfen an an den Liebhabereien der klassischen (Maler-)Moderne, dem Surrealismus und ihren Sprachkünstlern und öffnen den Raum zur Tradition (»Die Versuchung des heiligen Antonius«), zur Romantik (»Morgenröthe« – sic), zum Protest (»Nieder mit dem Mondschein«), Zutaten, die den spielerischen Charakter verstärken und der Rätselhaftigkeit der Bildern ein weitere Nuance hinzufügen. Das Gefängnis, das Gefangen-, das Eingesperrtsein scheint mir ein Grundmotiv dieser Bilder zu sein, eingesperrt in den Rahmen des Bildes (wieviele Köpfe sind angeschnitten auf den Porträts!), in die menschliche, in die kreatürliche Hinfälligkeit, aber auch in und hinter steil aufgestellten Pflanzen wie in diesem Bild, in dem die Katze düster, bedrängt und verschreckt am Bildrand plaziert ist und ihr von den Pflanzen Luft und Raum genommen sind. ¶


Die Ausstellung im Martin von Wagner-Museum (Südflügel der Residenz) ist verlängert worden bis 12. März 2006.
Öffnungszeiten: dienstags bis samstags von 9.30 bis 12.30 Uhr sowie an den Sonntagen 29.1., 12.2., 26.2. und 12.3. Informationen unter Tel. 09 31 - 31 22 83 oder - 31 22 88 oder
www.uni-wuerzburg.de/museum/