Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und im Ballsport
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Short Cuts & Kulturnotizen

Unlängst – Gerade soeben – Demnächst!
Was nicht dem Vergessen anheim fallen sollte – eine ganz subjektive Auswahl der Redaktion, nicht minder subjektiv kommentiert.


4. Juli, 20 Uhr – Grünes Büro, Textorstr.

»Kulturpolitik« schien schon zum Fremdwort in Würzburg geworden zu sein: Ausgerechnet die Würzburger GRÜNEN beendeten die überlange Pause kulturpolitischer Debatten mit einem Podiumsgespräch unter dem Motto »Kultur für alle«. Konkrete Ergebnisse für die lokale Szene gibt es nicht zu vermelden: die GRÜNEN-MdB Uschi Sowa berichtete vor spärlichem Auditorium von der Arbeit der Enquete-Kommision »Kultur in Deutschland« – der Stiftungsreform, dem Kampf für den Erhalt der Buchpreisbindung und der Ausnahmeregelung für »Kultur« innerhalb der EU-Dienstleistungsrichtlinie. Darüber hinaus wurde viel aneinander vorbeigeredet: zu unterschiedlich waren die verwendeten Begrifflichkeiten (»enger und weiter Kulturbegriff«), zu heterogen die Diskussions- und Erfahrungsebenen, zu diskontinuierlich die Auseinandersetzung mit den verschiedenen kulturpolitischen Themenfeldern. Mehr als ein Anfang konnte dieser Abend also nicht sein – die Frage bleibt, wer sich um eine Fortsetzung außerhalb der Wahlkampfzeit kümmert. [mk]


16. Juli, 11-17 Uhr – Arte Noah, Willy-Brandt-Kai

Seit zehn Jahren liegt »das einzige Kunstschiff Deutschlands« am Würzburger Mainufer im Schatten der Festung Marienberg. Und genauso lang ist die »Arte Noah« das Zentrum für zeitgenössische Kunst. Mit einer außergewöhnlichen Eat-Art-Performance des Berliner Künstlers Bernhard Thome wurde dieses Jubiläum angemessen gefeiert: Mit Leckereien und kulinarischen Überraschungen »In den Farben Tiepolos« verwöhnte Thome ein kunstverständiges Publikum und bestätigte einmal mehr die These, dass ästhetische und lukullische Genüsse untrennbar zusammengehören. Als städtische Vertreter bekundeten Bürgermeister Adolf Bauer und Kulturreferent Reiner Hartenstein ihre Verbundenheit mit dem engagierten Team um die neue Vorsitzende Christa Roosen. [mk]

Nächste Ausstellung: Raimer Jochims – Bildobjekte (14. August bis 18. September 2005)


17. Juli, 14-18 Uhr – Altes BayWa-Lagerhaus, Unterwittighausen

Zum Lazy Sunday Afternoon mauserte sich in ländlicher Sommer-Idylle der Tag der Offenen Tür im Werkstatt-Atelier des Holz-Bildhauers Kilian Emmerling. Inspiriert von den gleichermaßen imposanten wie feingliedrigen Skulpturen, die auf den weitläufigen Holzböden des ehemaligen Getreidespeichers eine unvermittelte Direktheit entfalten, ließ sich bei leckeren Backwaren und kühlen Getränken trefflich über Kunst, Künstlerexistenzen und die Widrigkeiten des Kunstmarktes sinnieren. Ein Sonntag, der für Momente den rasenden Lauf der Zeit zu bremsen schien. [mk]


Würzburger Filmkunst Geschichte? – Walter Stocks Glück und Ende

Nein, Sie haben richtig gesehen, es fehlt kein Strichelchen: Es geht um das Ende des Filmseminars der Volkshochschule Würzburg, bei der Walter Stock seine Filmarbeit beendet hat mit der Vorführung von »Cinema Paradiso« und einer anschließenden kleinen Feier im CinemaxX, natürlich ohne daß die hiesige Presse das mitbekommen hätte.
Jahrelang hat die Würzburger Region davon gezehrt, daß sie eine der filmsüchtigsten der ganzen Republik sei, die Zahlen waren fast stets hervorragend – wobei man in den Anfangsjahren der Statistik diskret verschwiegen hat, daß das Publikumsinteresse nicht zuletzt den Aufklärungsbedürfnissen und der Begeisterung für nacktes Fleisch (nicht nur bei der Landbevölkerung) sich verdankte. Die späten 1960er und frühen 1970er Jahre ließen aber auch ein Parallel-Publikum entstehen, das überwiegend studentisch war und eine Begeisterung für Independent-Produktionen aller Art hatte, eine weltweite Bewegung damals. Die Alten unter uns erinnern sich vielleicht noch an den »deutschen Godard«, Helmut Costard, der nächtens das Große Haus des Corso überquellen ließ.
Aus diesen Interessen heraus entstand das »Internationale Filmwochenende« einerseits, das sich immer mehr zur erfolgreichen Event-Veranstaltung mauserte. Daneben setzte Walter Stock die kontinuierliche Filmarbeit in der Tradition des unvergessenen Romanistik-Professors Franz Rauhut fort.
Andere Städte gründeten nach und nach immer mehr Kommunale Kinos, zeitweise fast eine flächendeckende Einrichtung in der Bundesrepublik. Auch in Würzburg hat mancher immer wieder mit diesem Gedanken gespielt. Aber die städtischen Finanzen und die städtische Kulturpolitik haben sich mit einem solchen Gedanken nie anfreunden können.
Und so ging das Kunstfilmkino City mehr oder weniger sang- und klanglos unter, scheiternd nicht zuletzt an kleinkarierten finanziellen Forderungen und Sicherheiten. Freilich können die, die das damals fortsetzen wollten, wahrscheinlich froh sein, daß sie sich nicht in ein solches Abenteuer gestürzt haben …
Und immer setzte Walter Stock unverdrossen seine mühselige Kärrnerarbeit im Filmseminar der VHS fort. Nicht einmal die Mitglieder der Filminitiative, zu unserer Schande sei’s gesagt, haben ihm die verdiente Aufmerksamkeit zuteil werden lassen. An den gezeigten Filmen, an den durchdachten Programmen kann es nicht gelegen haben. Es ist schwer zu sagen, warum die hiesigen Studenten für diese Dauereinrichtung sich nicht mehr interessiert haben, im Gegensatz zu den meisten anderen Universitätsstädten. Ein Grund könnte sein – nein, nicht mehr die Weinseligkeit, die Weinbäcks haben ja auch nicht mehr dieselbe Klientel wie früher! – ein Grund also könnte die Tatsache sein, daß unverhältnismäßig viele Studenten bei den Eltern in der Umgebung leben und deshalb nach Hause fahren, sobald die Vorlesungen zu Ende sind.
Walter Stock hat jetzt ein kleines spätes Stück Befriedigung erhalten, als der Filmemacher aus der berühmten Heisenberg-Familie der Mainpost erzählte, seine Liebe zur Filmkunst sei auch im Filmseminar bei Walter Stock gehegt und gepflegt worden. Das Ergebnis: immerhin eine Einladung des jungen Regisseurs nach Cannes 2005.
Jetzt also ist dieses sicher bald zu den Legenden zählende Filmseminar Geschichte. Wir alle können uns nur verneigen vor den Anstrengungen eines Filmbesessenen für die Dunkelheit der Kinosäle, für eine Filmkunst, an der abzulesen ist, daß es auch oder gerade außerhalb von Hollywood Filme gibt, die man gesehen haben muß und die ihre ganze Ausstrahlung erst im richtigen Kinosaal zu entfalten vermögen.
Mögen die Versuche im Corso Kino 2 und im CinemaxX wenigstens einen Abglanz der Stockschen Bemühungen erhalten zu können, nicht im Großkino-Einerlei untergehen. Walter Stocks Name wird mit solchen Bemühungen untrennbar verbunden bleiben. [bk]



Der Sommer wird grün!

Das zumindest verkünden die Plakate der GRÜNEN, die seit geraumer Zeit das Stadtbild verunstalten: Was sich hier, vornehmlich im Dreierpack, über den innerstädtischen Bereich verbreitet, zählt zum Miserabelsten, was die Wahl- und Parteienwerbung der letzten Jahre abgesondert hat – zumindest in formaler und sprachlicher Hinsicht.
Daß diese Tafeln keinerlei inhaltliche Aussagen mehr machen, gehört inzwischen zum Mainstream – und ist, angesichts der Ununterscheidbarkeit der Polit-Floskeln wie der daraus resultierenden Politik, nicht weiter verwunderlich. Daß aber ausgerechnet die GRÜNEN mit einer halbseidenen Persönlichkeitskampagne um den Spitzenkandidaten punkten wollen, nimmt zuweilen bizarre Züge an.
Der (sauber vorgedruckte) Slogan »DER SOMMER WIRD GRÜN!« wird eskortiert von den Einarbeitungen der Würzburger GRÜNEN für ein Polit-Spektakel mit Staraufgebot, am 19. August am Unteren Markt, und diese haben es (nicht nur formal, per Low-End-Kopier- und Klebetechnik) in sich:
»und wann kommt Joschka? Bald… … auch nach Würzburg!« (»…« ohne Leerzeichen bedeutet, daß hier ein Wort nicht ausgeschrieben wird, z. B. »Bald…« für »Baldrian«), »Kein Urlaub für Joschka« bzw. »Joschka kommt - kein Urlaub für uns« (Was denn nun? Wer darf nicht Urlaub machen – und wer verwechselt hier mal wieder den Trenn- mit dem Gedankenstrich?), »HIGH NOON MIT JOSCHKA« (Klar, der Colt sitzt bei den einst Friedensbewegten schon seit geraumer Zeit locker …), »und Fischer fischt frische Meefischli« (am Unteren Markt?), »und Joschka wörzburcht« (Wie bitte? Was macht er?), »UND JOSCHKA HÄLT MARKT«, »Kommt baden in der Menge« … keine Ahnung, was da noch so im Stadtgebiet zu sehen ist.
Das traurige Highlight zum Schluß: »UND JOSCHKA LÄUFT HEIß« – da ist es wieder, das »scharfe s« bei den Großbuchstaben, sicherer Indikator für die Abwesenheit sprachlichen und orthografischen Basiswissens. Also rasch noch im grünen Sommer den Rotstift gezückt – für den Herbst sehe ich sowieso schwarz … [jk]