Nummer – Zeitschrift für Kultur in Würzburg und im Ballsport
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Frieder Grindler
Foto: Grindler





Abbildungen mit freundlicher Genehmigung von Frieder Grindler.

Grindler beim Hängen einer kleinen Ausstellung mit den Bildvorlagen für die Plakate in der ehemaligen Staatsbank, Würzburg, Mitte der 1990er Jahre.
Foto: Achim Schollenberger

»Im Sommer habe ich diese Idee nicht.«

Frieder Grindler gestaltet seit 40 Jahren außergewöhnliche Plakate

von Jochen Kleinhenz

Frieder Grindler, bis zum Ende des gerade vergangenen Sommersemesters noch Professor am Fachbereich Gestaltung der hiesigen Fachhochschule, wirkt beim Gespräch entspannt – und mindestens zehn Jahre jünger, als das mittlerweile erreichte Ruhestandsalter vermuten läßt. Nach 26 Jahren als Professor kehrt er der Stadt nun den Rücken zu und endgültig zurück in seine Heimat Untergröningen auf der Schwäbischen Alb.

Aber was heißt schon Ruhestand? Er selbst bezeichnet diesen Begriff lachend als »Katastrophe«, stattdessen will er sich weiterhin mit Gestaltung befassen. Grindler hat es sich auch während seiner Professur nicht nehmen lassen, Plakate zu gestalten, und wird dieses – und anderes mehr – auch in der nächsten Zeit tun. Ohne finanziellen Druck allerdings, sondern mit dem Blick ausschließlich auf die Sache und die Qualität der Umsetzung. Dabei interessieren ihn nach wie vor anspruchsvolle Druckverfahren und das, was technisch machbar ist in der Produktion. Außerdem will er sich stärker mit Büchern befassen; Unikate und Kleinauflagen hat er bereits mit Vorliebe in seiner Lehre hergestellt, nun wird er sich noch mehr als Person einbringen können – und nicht mehr vornehmlich Koordinator sein, der die Studenten in entsprechenden Projekten führt.

Grindler, Jahrgang 1941, studierte von 1960–65 an den Hochschulen für Bildende Künste in Stuttgart und Kassel. Von 1966 bis zum Antritt seiner Professur in Würzburg, 1979, arbeitete er als Art Director beim Süddeutschen Rundfunk (Fernsehen). Aus dieser Zeitspanne stammen auch seine frühen, oft provokanten Plakatarbeiten, die meisten davon für unterschiedliche Theaterbühnen in Tübingen, Darmstadt, Düsseldorf und Karlsruhe, um nur die bekannteren zu nennen. Er gehört – neben Holger Matthies und Gunter Rambow – zu den wichtigsten Impulsgebern der deutschen Plakatgestaltung der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, sein Name taucht in allen relevanten Publikationen auf, und bei den »100 Besten Plakaten«, die seit den 1960er Jahren in der damaligen DDR und seit 1990 im wiedervereinigten Deutschland gewählt werden, gehört er quasi zu den »Stammgästen«, inklusive dem 2002 verliehenen Ehrendiplom.

Das Besondere an seinen Arbeiten war nie Provokation als Selbstzweck, um des Auffallens willen, sondern immer getragen von seiner eigenen Art und Weise, an die Gestaltung eines Plakats heranzugehen. Anstatt sich mit vorgegebenem Material (Schauspielerportraits, Probenfotos etc.) zu befassen, stand für ihn immer die inhaltliche Beschäftigung mit den Stücken im Vordergrund. Daraus resultierten dann überraschende, originelle und – dem gesellschaftlichen Klima der damaligen Zeit geschuldet – oft provokante Interpretationen der Idee oder Aussage der Stücke, meist gewürzt mit einer gehörigen Portion Surrealismus (was ebenfalls mit dem Zeitgeist oder Zeitbezug zusammenhängt).

Zentrales Motiv der Arbeiten dieser Jahre ist der Mensch – als Ganzes, als Ausschnitt, als Detail. Vielleicht liegt darin schon ein Schlüssel zu den heftigen Reaktionen, die seine Plakate immer wieder hervorgerufen haben: ob vollständig eingeschäumt (»Der Fisch«, 1968), in der Mausefalle zerquetscht (»Malcolm«, 1969), mit dem Sessel verwachsen (»Der Menschenfreund«, 1970), als Aschenbecher (»Irma La Douce«, 1971), im Einmachglas (»Heimarbeit«, 1972) oder mit Tischtennisbällen wie mit Geschwüren übersät (»Repertoire«, 1973) – die Plakate sind auch heute noch echte »Hingucker«, lassen neben der vermittelten Information Platz für eigene Gedanken und Assoziationen und würden – ohne Beschriftung – glattweg als Kunst durchgehen.

Davon allerdings will Grindler nichts wissen. Er sieht seine Arbeiten immer zweckgebunden, immer auf eine bestimmte Anforderung hin entstanden. Im Gegensatz zum Regisseur eines Stückes, der immer auch in Szenenbildern denkt, arbeitet Grindler jedoch auf einer eher metaphorischen Ebene: Er setzt sich mit der Person des Autors oder der gesellschaftlichen Relevanz des Stückes auseinander, sucht andere Anhaltspunkte, um zu einer Bildidee zu kommen, die nicht immer die nächstliegende ist.

Zum Beispiel »Der Fisch«: Auf dem Plakat sitzt ein Herr im Anzug auf einem Stuhl, von oben bis unten eingeschäumt. Erst der Untertitel »14 Geschichten vom Buckligen und vom Barbier« erhellt das Motiv. Fast noch ungewöhnlicher ist die Anekdote um die Umsetzung der Fotografie – heute im Computerzeitalter kein großes Thema (so eine mögliche, jedoch irrige Meinung), damals, 1968, eine echte Herausforderung: Grindler gelang es nach mehrmaligem Telefonieren (und Beteuern, daß er nicht verrückt sei …), von der Firma Minimax einen eigens für seinen Zweck mit Babyschaum bestückten Feuerlöscher zu bekommen, mit dem er sein Modell ruckzuck vollflächig einschäumen konnte.
Oder das Plakat zum Stück »Zwischen den Schatten« (1973): Eine Welle der Empörung brandete hoch, als das Motiv des Kruzifix mit der rauchenden Zündschnur in der Öffentlichkeit wahrgenommen wurde. Allerdings wandelte sich die (christliche) Empörung über die vordergründige Provokation schnell in Anerkennung auch durch vorher kritische Stimmen – das Bildmotiv ist eines der stärksten zum Nordirland-Konflikt (und um diesen geht es auch im Stück).

Grindlers Arbeiten beschränken sich jedoch nicht nur auf diesen Zeitraum, und nicht nur auf Plakatgestaltung. Bis zum heutigen Tag arbeitet er für verschiedene Auftraggeber, von denen das Schauspiel des Stuttgarter Staatstheaters (hier entwickelte er neben zahlreichen Plakaten ein durchgängiges Corporate Design) ebenso erwähnenswert ist wie die Firma Wagner Siebdruck in Freiberg am Neckar. Die Plakate für letztgenannte dürfen wohl auch formal als Indikator dessen gesehen werden, was in Zukunft zu erwarten ist: Freie, aber nicht beliebige Arbeiten, die einerseits für die technischen Fertigkeiten der Druckerei werben, andererseits Grindlers ganz eigene Sprache in Text und Bild dokumentieren. Hier beweist er einmal mehr sein Gespür für Hintergründiges, Doppeldeutiges – und seine Fähigkeit, neben dem Menschen auch abstrakte Motive in den Mittelpunkt der Gestaltung zu rücken.

Die meisten seiner Arbeiten sind nun in einem Buch versammelt, das neben den zahlreichen Theaterplakaten auch Programmplakate für den Süddeutschen Rundfunk oder eindeutig politische Plakate wie das zum Krefelder Appell von 1981 enthält. Daneben dokumentiert der Band auch seine Covergestaltung für die Labels MPS, Mood und ECM und enthält einige Aufsätze zu seiner Arbeit. Neben der monographischen Ausrichtung darf der Band aber auch als Zeitdokument für eine bestimmte Epoche und die damit verbundene visuelle Sprache gesehen werden – ohne ins rein Historische abzugleiten: Viele Motive bleiben zeitlos in ihrer Stringenz.

Bei seiner Probevorlesung 1979 wurde ihm folgende Frage gestellt: »Was würden Sie im Juni machen, wenn Sie einen Schneemann bräuchten?« Grindler, für den die Möglichkeit der Umsetzung einer Idee immer ein zentraler Aspekt ist, parierte gelassen: »Im Sommer habe ich diese Idee nicht.« ¶


Frieder Grindler:
Frieder Grindler (Buch)
Opulent bebilderte Werkschau mit ergänzenden Texten von Hans Hillmann, Bruno Paulot, Stefan Soltek und Kurt Weidemann.
B. Kühlen Verlag (2005), 192 Seiten, geb., ISBN 3-87448-252-9

Collagen – 70 Entwürfe für Theaterplakate
Ausstellung vom 16. Juli bis 4. September 2005
Stadtmuseum im Spital, Spitalstraße 2, 74564 Crailsheim,
Tel. 07951/9464-0, Fax 07951/9464-19.
Geöffnet mittwochs 9–19 Uhr, samstags 14–18 Uhr, sonntags 11–18Uhr.